Von Matthias Matern: Rettung in letzter Sekunde
Magna-Europa-Chef besucht neuerworbenes Erhard & Söhne-Werk. Firma stand kurz vor der Insolvenz
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Teltower Vorstadt - Beinahe wäre alles zusammengefallen wie ein Kartenhaus. Nur haarscharf ist der Tanksystemespezialist Erhard & Söhne aus dem baden-württembergischen Schwäbisch Gmünd, der auch in Potsdam produziert, an einer Insolvenz vorbeigeschlittert. Dass auch die Zukunft der insgesamt rund 50 Mitarbeiter in Brandenburgs Landeshauptstadt vorerst gesichert ist, ist wohl dem österreichischen Autobauer MagnaSteyr zu verdanken. Wie berichtet, hatte die Tochter des kanadischen Magna-Konzerns Erhard & Söhne Anfang des Jahres übernommen. Am Mittwoch stattete MagnaSteyr-Präsident und Chef von Magna Europa, Günther Apfalter, seinem neuen Besitz in Potsdam einen ersten Besuch ab. „Auf den ersten Blick scheint alles gut organisiert, aber es gibt noch Optimierungsbedarf“, so sein erster Eindruck nach einem kurzen Werksrundgang.
Verlockend war Erhard & Söhne für die Österreicher vor allem wegen seiner innovativen Produkte und Technologien im Bereich Nutzfahrzeuge und Lkw. In diesem Segment wolle MagnaSteyr sein Geschäft künftig verstärken, meinte Apfalter. Wenig Zweifel aufkommen ließ er jedoch am maroden Zustand, in dem sich auch die Geschäfte am Potsdamer Standort befunden haben müssen. Auf knapp 7000 Quadratmetern ließ Erhard & Söhne dort sogenannte Druckluftbehälter für Bremssysteme fertigen. „Zuerst müssen wir die Zusammenarbeit mit unserem Hauptkunden Daimler stabilisieren“, kündigte der Österreicher an.
Deutlicher wurde Christoph Deinhard, der als Interimsgeschäftsführer im Oktober zu Erhard & Söhne kam und die Übernahme durch MagnaSteyr aushandelte. „Die alte Geschäftsführung hat im Wesentlichen von Krediten gelebt, aber nicht mit Produkten Geld verdient“, berichtete Deinhard, der zum 1. März wieder aus dem Unternehmen aussteigt. „Die Firma war hoffnungslos überschuldet. Eine Insolvenz wäre unvermeidbar gewesen“, sagte der Krisenmanager gestern. „Alles sei darauf ausgerichtet gewesen, möglichst schnell neue Anlagen aufzubauen, um Fördermittel zu bekommen.“
Unternehmerisches Versagen gepaart mit den Folgen der Wirtschaftskrise für die Automobilindustrie ließen die Umsätze und damit die Gewinne bei Erhard & Söhne drastisch einbrechen. Medienberichten zufolge sanken die Erlöse um bis zu 85 Prozent. Entlassungen und Kurzarbeit waren die Folge. Von einst mehr als 450 Mitarbeitern blieben zwischenzeitlich noch knapp 200 übrig, heißt es.
Offenbar wurde die Lage des Unternehmens aber bis zuletzt runtergespielt. Noch im November des vergangenen Jahres hieß es voller Optimismus, für Februar 2011 werde für Potsdam die Vollauslastung erwartet, bis 2013 könnten 100 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Die Realität jedoch sieht anscheinend anders aus. „Derzeit wird im Zwei-Schichten-System gearbeitet, die Dritte bleibt unbesetzt. Mehr Mitarbeiter werden erst benötigt, wenn wir mehr Aufträge bekommen“, stellte MagnaSteyr-Präsident Günther Apfalter gestern klar.
Dennoch hatte der Spitzenmanager auch eine gute Botschaft für die Belegschaft. Es soll künftig deutlich mehr Festangestellte geben als bisher. „Standard bei MagnaSteyr in Westeuropa ist ein Verhältnis von rund 80 Prozent festen Jobs zu etwa 20 Prozent Leiharbeit“, sagte Apfalter. Unter Erhard & Söhne waren knapp die Hälfte der Beschäftigten Leiharbeiter, rekrutiert aus der Potsdamer Tochter Erhard Services, die offiziell als Qualifizierungsgesellschaft für den Werksnachwuchs vorgestellt worden war. Erhard Services hat MagnaSteyr nicht übernommen.
Dafür bietet sich für einige der Leiharbeiter die Chance auf eine Festanstellung. Die geplanten festen Stellen will Apfalter aus dem Leiharbeiter-Potenzial besetzen. „Die sind bereits eingearbeitet“, begründete der Magna Europa-Boss. Auch eine Arbeitnehmervertretung werde es künftig geben, versicherte er. Bislang wurde die Gründung eines Betriebsrates angeblich auf Wunsch der Belegschaft abgelehnt, hieß es bei Erhard stets.
Den Namen der 1844 gegründeten Traditionsfirma will MagnaSteyer in Potsdam und Schwäbisch Gmünd beibehalten. Allerdings werde auch zu erkennen sein, dass die Werke jetzt Teil der Magna-Gruppe sind, sagte Günther Apfalter. General Manager beider Standorte wird Waldemar Raaz, laut Magna ein „gestandener Automobilmanager“ und seit mehreren Jahren im Konzern.
Den Mitarbeitern ist der Einstieg der Österreicher offenbar mehr als willkommen. Robert Heinrich, seit September Werksleiter in Potsdam: „Als ich kam, herrschte Frustration, im November, Dezember überwog die Hoffnung. Jetzt sind alle wieder zuversichtlich.“
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