Landeshauptstadt: Rettungsaktion für Seidentapeten
In den Schlössern der Stiftung wird der Lichtschutz durch neue Methoden verbessert
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In den Schlössern der Stiftung wird der Lichtschutz durch neue Methoden verbessert Von Erhart Hohenstein Sanssouci. Nur im mit carmoisinfarbenen (roten) Silberbrokat tapezierten Lesezimmer und dem „Tressenzimmer“ mit seinen allerdings schon stark geschädigten goldenen Borten und Crepinen hat sich in der Königswohnung des Neuen Palais die ursprüngliche Wandbespannung aus der Erbauungszeit um 1765 erhalten. In allen anderen Räumen musste sie längst, in der Kaiserzeit Wilhelms II. und später 1936, in den 60er und 80er Jahren, mehrfach erneuert werden. Im Schloss Sanssouci mit der Südausrichtung seiner Gartenfassade gibt es überhaupt keine originalen Tapeten mehr. Natürlicher Feind der empfindlichen Seidengewebe Damast, Brokat und Atlas ist das Tageslicht, vor allem dessen Anteil an ultravioletter Strahlung. Schon nach relativ kurzer Einstrahlung bleichen die Tapeten mit ihren wunderschönen Mustern und Ornamenten aus und bekommen Risse. In lichtdurchfluteten Räumen waren ihnen in der Regel nicht mehr als 30 Jahre Lebenszeit beschieden, dann mussten sie ausgewechselt werden. Diesem Prozess steuert die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten jetzt stärker entgegen. Die Fäden für einen verbesserten Lichtschutz, der auch für Möbelbezüge, Gemälde, Intarsienfußböden, Grafiken und Bücher von Bedeutung ist, hält Christa Zitzmann in der Hand. Als Leiterin der Textilrestaurierung ist ihr Bereich von den Schädigungen am meisten betroffen. Im Neuen Palais zeigt sie, was gegen die zerstörerische Kraft der Sonneneinstrahlung getan werden kann. Die fast fensterhohen Klappläden gibt es schon seit Friedrichs Zeiten. Immer kann man sie freilich nicht geschlossen halten, denn die Touristen wollen nicht im Dunkeln durchs Palais gehen. Zudem weisen die Kunsthistoriker darauf hin, dass die Einheit zwischen Baukunstwerk und Garten, den man dann ja nicht mehr sehen könnte, den besonderen Reiz eines Rokokoschlosses ausmacht. An einem der Fenster demonstriert Christa Zitzmann neue Methoden des Lichtschutzes. Die auf die Scheiben geklebte hauchdünne Folie sieht man mit bloßem Auge nicht, doch sie weist die zerstörerische UV-Strahlung zu mehr als 99 Prozent zurück. Innen hängt ein Verosol-Vorhang – ein durchsichtiges, aluminiumbeschichtetes Gewebe, das Lichtstrahlung und Wärme reflektiert. Im Neuen Palais, wo in der Kaiserzeit Doppelfenster eingesetzt wurden, kann man so vorgehen; im Schloss Sanssouci oder in den Neuen Kammern, deren originale Fenster erhalten sind, verbietet sich aus denkmalpflegerischen Gründen das Bekleben der Scheiben. Hier behilft man sich mit herkömmlichen Mitteln, dicken Baumwollgardinen oder schwarzen Tüchern vor besonders gefährdeten Tapeten. Hundertprozentig wirksam und ästhetisch befriedigend sind solche Lösungen nicht, und so wurde jetzt mit dem Textilforschungsinstitut in Greiz ein auf zwei Jahre angelegtes Forschungsprojekt zur Entwicklung eines Gewebes auf den Weg gebracht, das die Eigenschaften des Verosols und der UV-Schutzfolie vereinigt. Dafür ist beim Clement-Ministerium ein Förderantrag auf 150 000 Euro gestellt worden. Für die im Neuen Palais und in den neuen Kammern begonnenen Lichtschutzmaßnahmen standen 2003 erstmals 30 000 Euro fest im Haushaltsplan der Stiftung, im nächsten Jahr soll die Summe verdoppelt werden. Der Aufwand lohnt sich, denn ein originalgerechtes Nachweben der Tapeten würde astronomische Kosten verursachen – für einen ein mal 0,50 Meter messenden Streifen bis zu 2000 Euro. Christa Zitzmann weist darauf hin, dass die Arbeiten in den Neuen Kammern und im Neuen Palais nur ein Anfang sein können. Als nächstes stehen Schloss Sanssouci, das Chinesische Haus, auch Rheinsberg im Plan. Dutzende andere Schlösser und Bauten müssen weiter warten.
Erhart Hohenstein
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