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Raul Pimentel vom Inselcafé wacht über die Alte Fahrt. Er hat in diesem Jahr wieder einem Menschen das Leben gerettet.

© Andreas Klaer

Ertrinkender aus der Havel gerettet: Rettungseinsatz in der Frühschicht

Das Ufer der Alten Fahrt ist nicht mit einem Geländer gesichert. Raul Pimentel ist Koch im Café auf der Freundschaftsinsel – und hat hier kürzlich zum zweiten Mal einen Menschen vor dem Ertrinken gerettet.

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Potsdam - Es kommt nicht oft vor, dass man einem anderen Menschen das Leben retten kann. Manchen passiert es aber gleich mehrfach. Einer davon ist Raul Pimentel, Mitarbeiter im Inselcafé. Es ist Samstag, 9. Mai, kurz nach 9 Uhr, und Raul Pimentel ist gerade dabei, Tische und Stühle auf der Terrasse herzurichten. Die Saison für das Café auf der Freundschaftsinsel hat vor wenigen Wochen begonnen. Pimentel, der seit acht Jahren im Café als Koch und Grillmeister arbeitet, blickt auf die andere Seite der Alten Fahrt – und sieht etwa 50 Meter in Richtung Lange Brücke eine Person reglos im Wasser treiben.

Dann hört er, wie ein Angler am Ufer gegenüber wild etwas ruft. Pimentel überlegt nur kurz und rennt los, über die kleine Fußgängerbrücke, das geht schneller als schwimmen, Pimentel war mal professioneller Baseballspieler bei den St. Louis Cardinals in den USA, rennen kann er. Unterwegs zieht er Sachen und Schuhe aus und springt dann ins Wasser. Es wird schnell tief in der Alten Fahrt, da, wo immer die Angler sitzen. Stehen kann man hier nicht und die Strömung ist stärker als man denkt. Der Mann im Wasser regt sich nicht und ist schwer, die Sachen mit Wasser vollgesogen. Pimentel schiebt ihn an die Mauer zu einer eingelassenen Leiter. Doch selbst mithilfe des Anglers am Ufer kriegen sie den Ertrinkenden nicht die etwa eineinhalb Meter hochgehievt. Erst als ein weiterer Helfer dazukommt, klappt es.

Aber: Kein Dankeschön

Die Polizei nimmt gleich am Ufer den Vorfall zu Protokoll. Am nächsten Tag wird in der Zeitung stehen, ein Angler, im Jemen geboren, habe jemanden aus der Havel gezogen. Das stimmt nur zum Teil. „Sie haben auch mich nach meinem Ausweis gefragt“, sagt Pimentel. „Aber ich stand da in einer nassen Unterhose, wo soll ich da einen Ausweis haben?“, sagte er. „Ich habe gesagt, ich arbeite da drüben im Café, kommen Sie nachher zu mir, dann zeige ich Ihnen meinen Ausweis.“ Aber es kam keiner. Aus der Zeitung erfuhr Pimentel später, dass der Mann im Wasser überlebt hat.

Aber: Kein Danke, bis heute. Sein Arbeitgeber, Inselcafé-Inhaber André Lemke, der alles beobachtete, findet das auch nicht gut. Es wäre doch nur fair, ihm gebührende Anerkennung zukommen zu lassen. Zudem sei es bereits das zweite Mal gewesen, dass Pimentel jemanden an dieser Stelle aus dem Wasser holte. Damals, vor drei Jahren, fischte er eine alte Dame aus dem Wasser, die ihren in den Fluss gefallenen Hund retten wollte. Alles ging gut, später brachte die Familie der Frau Blumen vorbei. Und die Mitarbeiterinnen der Heilig-Geist-Residenz, in der die Frau wohnte, luden ihn ein zu Kaffee und Kuchen.

Karibische Lockerheit nach Potsdam

Raul Pimentel ist sein bester Mann, sagt Lemke scherzhaft. Nicht nur weil er schon zwei Leute aus dem Wasser zog. „Er kocht eine Kartoffelsuppe, da leckt sich jede deutsche Hausfrau die Finger danach.“ Der 36-Jährige und ein weiterer Kollege kommen aus der Dominikanischen Republik. Sie kochen deutsch und bringen karibische Lockerheit in das Potsdamer Café.

„Das passt zu uns“, sagt Lemke. 2004 kam Pimentel nach Potsdam, seine Frau stammt von hier. Er fühle sich hier wohl, sagt er, Anfeindungen oder blöde Sprüche gegen Ausländer habe er nie erlebt. In seiner Freizeit macht er Kraftsport oder geht mit seiner Frau Salsa tanzen. Angeln sei nichts für ihn, sagt er, aber er kann schwimmen. Wer weiß, wann er wieder einmal helfen muss – je wärmer es wird, desto mehr ist los am Uferweg. „Ich pass schon auf, dass ich immer eine ordentliche Unterhose anhabe“, sagt er lachend. Und geht dann zurück an den Grill.

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