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Etwas HELLA: Riesenrad mit Überblick

Der Lustgarten – im Moment ist er alles Mögliche, ein Garten der Lüste ist er nicht. Das haben Tausende Potsdamer festgestellt, die mehr oder weniger lustvolle Verbesserungsvorschläge für das Areal am Hafenbecken eingereicht haben.

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Der Lustgarten – im Moment ist er alles Mögliche, ein Garten der Lüste ist er nicht. Das haben Tausende Potsdamer festgestellt, die mehr oder weniger lustvolle Verbesserungsvorschläge für das Areal am Hafenbecken eingereicht haben. Das Hotelhochhaus sei vorwiegend hoch emotional verteidigt worden, sagt die Firma, die die Vorschläge in der Infobox auswertete, wer fürs Abreißen war, verlangte dagegen ganz sachlich: Weg mit dem Klotz. Aber egal, ob hoch oder weniger emotional – es gibt ohnehin nur zwei Varianten, entweder stehen lassen oder nicht. Für den Lustgarten selber waren der Fantasie und den lustvollen Vorschlägen von Themenpark bis Stadion keine Grenzen gesetzt. Einen Hinweis habe ich allerdings vermisst. Gucken Sie mal genau hin. Ist der meist öde Vorplatz an der Straße nicht derzeit wirklich ein Lustgarten?

Das Riesenrad lockt schon von Weitem, andere Karussells drehen ab morgen ihre Runden, Losbuden, Bratwurststände locken, das Bier kann in Strömen fließen und die Zuckerwatte klebrig die Mundwinkel verschmieren. Man muss übrigens zum Rummel, wie das Volksfest im Volksmund heißt, nicht im Dirndl erscheinen. Obwohl es selbst im spröden Preußen längst zur Festbekleidung der weiß-blauen Oktoberfeste mutiert ist. Falls Sie, meine Damen, nicht genug „Holz vor der Hütten“ haben, tun es zur Ladies Night auch T-Shirt und Lederjacke, um zünftig daherzukommen. Die Schausteller kommen – wie mir versichert wurde – übrigens gern nach Potsdam und das Publikum kommt gern zu ihnen, sodass beide Seiten eigentlich zufrieden sind mit dem Platz in der Stadtmitte, der da Lustgarten heißt.

Deshalb werde ich jetzt ebenso hoch emotional wie die Hotelhochhausverteidiger und verlange bei all den wunderbaren Vorschlägen zur Umgestaltung des im Moment gar nicht so lustvollen Gartens ein Bleiberecht für die Schausteller. Jahrelang wurden sie mal hierhin und mal dorthin verbannt, mussten am Stadtrand auf regendurchweichten Wiesen durchhalten und hatten dort alles andere als eine Wiesn, zu der das Publikum strömte. Das wird alles anders, wenn der Lustgarten erst fertig ist, versprach man ihnen und versenkte für viel Geld jede Menge Leitungen, nämlich Strom- und Wasseranschlüsse unter die Platten des Festplatzes, bis alle schließlich glücklich waren und sich lustvoll lieb hatten. Die Hotelgäste stört das Gewusel zu ihren Füßen offenbar auch nicht und so wird im Moment jeder nach seiner Fasson selig. Was ja eine der Grundforderungen von König Friedrich II. war. Denn Kulturerbe hin oder her, auch die Kirmes gehört als eine der ältesten Volksbelustigungen dazu. Ich zum Beispiel fahre für mein Leben gern Riesenrad und liebe den Blick übers Schloss und die barocke Innenstadt. Also bitte, bei allen fantastischen Plänen für Friedrichs einstigen Exerzierplatz – vergesst mir meinen Rummel nicht!!! Zieht die Bäume nach vorn und legt noch Platten auf den unsäglichen Kiesstreifen, macht einen Sauriergarten draus oder bietet Wechselausstellungen, Messen und Flohmärkte an. Aber passt auf, dass aus dem Lustgarten kein Frustgarten wird, weil Nutzer aus ihm heraus expediert werden, die ihn bisher lustvoll füllten.

Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam.

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