Von Sabine Schicketanz: Ringen ums Griebnitzsee-Ufer
Seeanrainer erneuern Gebot und erheben Anspruch auf enteignete Flächen
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Babelsberg - Im Griebnitzsee-Konflikt versuchen Seeanrainer, den Verkauf der Mauer-Ufergrundstücke an die Stadt Potsdam in letzter Minute zu verhindern. In einem Schreiben an die 41 Mitglieder des Haushaltsausschusses des Bundestags, der am Mittwoch endgültig über den Verkauf entscheiden will, bitten 28 Seeanrainer die Parlamentarier, nicht an die Landeshauptstadt zu veräußern. Gleichzeitig stocken die 28 Anrainer ihr Gebot für die Ufergrundstücke indirekt auf: Sie bleiben bei ihrem Gebot von 3,6 Millionen Euro, verzichten aber gleichzeitig auf den Erwerb der Grundstücke in Los 14, heißt es in dem Schreiben. Das betreffende Los 14 umfasse mehr als ein Drittel der insgesamt 32 000 Quadratmeter Uferfläche des Bundes, sei aber kein Anliegergrundstück. Es koste nach Verkehrswertermittlung der Stadt Potsdam 1,1 Millionen Euro. Die Bima könne diese Fläche nun an Potsdam oder Dritte veräußern, so die 28 Seeanrainer.
Ob dieses Verfahren juristisch zulässig ist, bleibt zunächst unklar. Ohne Wirkung wird es aller Wahrscheinlichkeit nicht bleiben: Die Seeanrainer erheben in ihrem Schreiben an die Bundestagsabgeordneten auch den Vorwurf, der Bericht des Bundesfinanzministeriums (BMF) zum Fall Griebnitzsee beruhe „auf falschen Tatsachen“. Sie betonen zudem, es gehe ihnen nicht um einen Grundstückspoker. Nach dem Verzicht auf das Los 14 wollten sie lediglich Uferflächen vom Bund kaufen, die in der NS-Zeit nach 1933, zum Mauerbau 1961 oder 1945 durch sowjetische Besatzer enteignet worden seien. Alle diese Flächen hätten zuvor zu den Villengrundstücken gehört. Daher hätten die Anrainer – ausschließlich „Eigentümer von Grundstücken und Wohnhäusern am Griebnitzsee“ – einen „grundrechtlichen Anspruch“ darauf, dass die „bundeseigenen Flurstücke () wieder mit ihren Seeufergrundstücken vereint werden“, schreibt ihr Jurist, der Berliner Verwaltungsrechtler Reiner Geulen. Er gewann die Bombodrom-Prozesse gegen die Bundeswehr und vertritt in Potsdam unter anderem auch Anrainer der Schwanenallee im Fall Kongsnaes.
Laut Geulen habe nicht die Landeshauptstadt, sondern hätten bereits im Bieterverfahren vergangenen Sommer die Seeanrainer das höchste Paketangebot für die Flächen des Bundes abgegeben. Die Bima habe ihnen daher bereits im November 2010 eine Verkaufszusage gemacht habe. Die Anrainer hätten zunächst auf Bitten der Bima ihr Gebot auf 3,6 Millionen Euro erhöht und dann verbindlich versichert, alle die Kaufverträge innerhalb von zwei Wochen zu beurkunden und in dieser Zeit auch den kompletten Kaufpreis zu zahlen. Damit seien, so heißt es im Schreiben, die jetzt vom BMF angeführten Risiken bei der Transaktion der Grundstücke ausgeräumt.
Auch könne das Gebot der Stadt Potsdam nicht mit 3,9 Millionen Euro bewertet werden, sondern mit maximal 3,3 Millionen Euro, schreibt Geulen. Denn der „Besserungsschein“, der das städtische Gebot aufstocken soll, sei „ohne wirtschaftlichen Wert“. Er sieht vor, dass die Stadt jene Flächen, die sie nicht für den Uferweg benötigt, weiterverkauft. Der Mehrerlös soll zu 80 Prozent an den Bund fließen, maximal 626 000 Euro. Erst mit diesem Geld erhöht sich das Gebot der Stadt Potsdam auf knapp 3,9 Millionen Euro. Doch mit dem Erlös sei keinesfalls zu rechnen, so die Anrainer – die Grundstücksreste seien „weder zugänglich noch bebaubar“ und würden kaum verkauft werden können.
Die knapp 32 000 Quadratmeter umfassenden 51 Grundstücke des Bundes gelten als unabdingbar für einen öffentlichen Uferweg auf dem ehemaligen Mauerstreifen. Potsdam will den derzeit von Anrainern abgeriegelten Spazierweg gegen Privatinteressen durchsetzen und dafür notfalls auch enteignen. Ohne die 51 Grundstücke wäre dieses Vorhaben nahezu aussichtslos. Besitzt die Stadt die Flächen des Bundes, gehört ihr die Hälfte des Ufers. See-Anrainer wollen die Ufergrundstücke ebenfalls erwerben – offenbar um einen Uferweg über ihre Grundstücke zu verhindern.
Um die politisch höchst brisante Entscheidung des Bundes hatte es ein monatelanges Tauziehen gegeben. Potsdam appellierte wiederholt an den Bund, Allgemeinwohl über Interessen Einzelner zu stellen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sich öffentlich darauf festgelegt, dass der Bund zum Höchstpreis verkaufen müsse. Diese Maßgabe sah das BMF mit einem Verkauf an die Landeshauptstadt als erfüllt an und bat den Haushaltsausschuss in seiner jüngsten Sitzung, die Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen. Allerdings hatte der Ausschuss überraschend auf Antrag der CDU/CSU- und FDP-Fraktion das letzte Wort in dem Verkauf verlangt. Der Bund kann damit zwar den Notarvertrag mit der Stadt Potsdam abschließen, endgültig genehmigen muss ihn aber der Haushaltsausschuss – dies war für Mittwoch geplant.
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