Aus dem GERICHTSSAAL: Ringwechsel unter Druck Prozess vor dem Amtsgericht um Zwangsheirat: Vater zu Bewährungsstrafe verurteilt
Der angeklagte Türke sprach von Lüge und einem Komplott, Amtsrichter Francois Eckardt von Zwangsheirat. Nach gut sechsstündiger Verhandlung wurde Erkan E.
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Der angeklagte Türke sprach von Lüge und einem Komplott, Amtsrichter Francois Eckardt von Zwangsheirat. Nach gut sechsstündiger Verhandlung wurde Erkan E.* (48) dafür am Montag zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Und er darf sich seiner Tochter Hatice* nicht mehr nähern. Mit dieser Strafe ging das Gericht über den Antrag von Staatsanwältin Mareen Laggis hinaus, die nur acht Monate auf Bewährung gefordert hatte.
Die Anklageschrift legte dem in Potsdam-West Wohnenden E. zur Last, die damals 18-Jährige zwischen Mai und August 2012 genötigt zu haben, die Ehe mit dem Sohn eines Freundes einzugehen. Als Hatice sich weigerte, soll Erkan E. der jungen Frau eine Ohrfeige versetzt, sie beleidigt und ein Handy nach ihr geworfen haben, was sie an der linken Hüfte traf. Aus Angst vor weiteren Übergriffen heiratete Hatice am 23. August 2012 den ungeliebten 25-Jährigen im türkischen Konsulat in Berlin. Inzwischen ist das Paar nach deutschem Recht geschieden.
Hartz-IV-Empfänger Erkan E. machte vor Gericht keine Angaben zur Sache, sein Verteidiger beantragte Freispruch. Tochter Hatice, in der Türkei geboren, nach Abschluss der Schule mit ihrem Bruder Hassan* zu den Eltern nach Potsdam geflüchtet, schilderte: „Ich hatte in der Türkei einen Jungen kennengelernt. Als mein Onkel das mitkriegte, wollte er mich umbringen lassen. Das sollte mein Bruder erledigen. Aber er wollte nicht.“ In Deutschland habe sich Hassan schnell den Ansichten des Vaters angepasst, Hatice ständig bewacht. Eines Tages habe der Vater gesagt: „Ich habe dich vergeben, meine Tochter. Der Junge ist nett und naiv.“
„Doch ich wollte ihn nicht heiraten – und als ich ihn gesehen habe, schon gar nicht“, erzählte Hatice. Doch der Vater habe Druck gemacht, von der Mutter habe sie keine Unterstützung bekommen. Die sei abhängig von ihrem Ehemann. Schließlich habe sie sich einer Lehrerin anvertraut. Diese vermittelte den Kontakt zu einer Seelsorgerin. Seitdem lebt die Türkin an einem geschützten Ort. Die Aussagen der Frau waren im Prozess angezweifelt worden. Um ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen, wurden Sachverständige eingeschaltet. Erst im dritten Anlauf konnte das Verfahren nun beendet werden.
Hassan versicherte im Zeugenstand, seine Schwester habe den damals 25-Jährigen durchaus ehelichen wollen. Der von ihr genannte Druck durch den Vater und die Schläge seien erfunden. „Mein Vater würde keines seiner Kinder schlagen. Hatice konnte sich frei bewegen. Sie ist öfter mit der S-Bahn zu ihren Schwiegereltern nach Berlin gefahren“, so der 20-Jährige.
„Als Frau in der Türkei ist man nicht unbedingt erste Wahl“, bemerkte Amtsrichter Eckardt. Erkan E. habe sich nach vielen Jahren in Deutschland immer noch nicht integriert. Seine Frau spricht und versteht kaum Deutsch, hat keinen Kontakt nach außen. „Als seine Tochter in das für sie fremde Deutschland kam, hat der Angeklagte ihre Lage ausgenutzt.“ Ein solches Handeln sei nicht zu tolerieren, führte auch die Staatsanwältin aus. (*Namen von der Redaktion geändert.) Hoga
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