zum Hauptinhalt
Gesundes Essen ist nicht alles: Für das Wohl der Kinder ist vor allem das Elternhaus entscheidend.

© dpa

Potsdams kranke Kinder: Risikofaktor Wohngebiet

Der Potsdamer Gesundheitsatlas kartiert erstmals die Gesundheitsdaten der Schulanfänger nach Stadtteilen.

Stand:

Kinder vom Schlaatz und aus Drewitz haben deutlich häufiger als ihre Altersgenossen aus anderen Stadtgebieten Sprech- und Sprachstörungen, Kinder aus Potsdams ländlichem Norden leiden oft an sozialen und emotionalen Störungen, in der Brandenburger Vorstadt sowie der Berliner und Nauener Vorstadt wiederum ist der Anteil der nicht gegen Masern geimpften Kinder höher als anderswo: Der erste Potsdamer Gesundheitsatlas, der unter Federführung der städtischen Gesundheits- und Sozialplanerin Juliane Nachtmann erarbeitet wurde, ermöglicht erstmals einen stadtteilgenauen Vergleich der Gesundheitsdaten der Potsdamer Kinder. Als entscheidender Faktor für Gesundheitsrisiken erweist sich dabei der Sozialstatus der Eltern – dieser errechnet sich einkommensunabhängig aus Bildungsstand und Erwerbstätigkeit. Grundlage für das 65-seitige Papier sind die Daten aus den Schuleingangsuntersuchungen der Jahre 2008 bis 2012 – im vergangenen Jahr wurden dabei 1631 Kinder untersucht.

Sprach- und Sprechstörungen

Der Anteil der Kinder mit Sprach- und Sprechstörungen in der Landeshauptstadt ist seit 2008 zurückgegangen. In Potsdam sind mittlerweile brandenburgweit nach Oberhavel die zweitwenigsten Kinder betroffen. Trotzdem zeigt aktuell noch etwa jedes elfte Kind bei der Schuleingangsuntersuchung Auffälligkeiten bei der Sprache und beim Sprechen – Jungs sind dabei mit 11,1 Prozent deutlich häufiger betroffen als Mädchen mit 6,9 Prozent. Eine entscheidende Rolle spielt der Sozialstatus der Eltern: Fast jedes dritte Kind aus sozial benachteiligtem Elternhaus hat Sprachstörungen, das ist zehnmal häufiger als bei Familien mit hohem Sozialstatus. Auffällig ist auch die Verteilung auf die Stadtgebiete: Im Schlaatz und in Drewitz erreichen die Werte mit 30,3 beziehungsweise 29 Prozent ein Dreifaches des Stadtdurchschnittes. In beiden Stadtteilen liegen die Anteile der Familien mit hohem Sozialstatus weit unter Stadtdurchschnitt: Kommen potsdamweit 63,3 Prozent der Kinder aus Familien mit hohem Sozialstatus, sind es in Drewitz nur 18,2 Prozent – das Stadtminimum – und im Schlaatz 25 Prozent. In beiden Stadtteilen ist der Anteil an Familien mit niedrigen sozialem Status – also mit niedrigen Bildungsabschlüssen und hoher Arbeitslosigkeit – besonders hoch und liegt bei 20 Prozent in Drewitz und 35 Prozent am Schlaatz. Stadtweit kommen nur 6,1 Prozent der Kinder aus sozial benachteiligten Elternhäusern.

Soziale und emotionale Störungen

Wenn Kinder nach den Angaben ihrer Eltern oft gehänselt werden, in Prügeleien geraten oder ungehorsam sind, sprechen die Studienautoren von sozialen und emotionalen Störungen. Hier hat sich die Zahl der betroffenen Kinder von 2008 bis 2012 mehr als verdoppelt – jedes zehnte Kind zeigt aktuell solche Störungen. Dabei sind Jungs fast doppelt so häufig betroffen wie Mädchen. Auch hier ist der Sozialstatus wichtiger Risikofaktor. Bemerkenswerte Ausreißer sind die ländlichen Ortsteile, insbesondere Sacrow, Groß Glienicke und Krampnitz, wo jedes fünfte Kind betroffen ist – und das, obwohl in den ländlichen Ortsteilen kaum sozial schwache Familien wohnen.

Allergien

Die Allergien kommen in etwa gleich verteilt über alle sozialen Schichten vor. Nachdem es von 2008 auf 2009 einen Rückgang der Befunde gegeben hat, steigt die Zahl seitdem kontinuierlich. 2012 lag sie stadtweit bei 14,2 Prozent. Ausreißer sind hier Alt Drewitz und das Kirchsteigfeld, wo der Anteil betroffener Kinder mit 28,1 Prozent beinahe doppelt so hoch wie im Stadtdurchschnitt ist. Auffällig sind auch Waldstadt II mit 22,8 Prozent Betroffenen sowie die Ortsteile Neu Fahrland, Fahrland, Satzkorn, Marquardt und Uetz-Paaren, wo 22,2 Prozent der Kinder über Allergien klagen.

Vorsorgeuntersuchungen

Der Gesundheitsatlas zeigt auch, inwiefern die Eltern die zehn kostenlosen Früherkennungsuntersuchungen – U1 bis U 10 – für ihre Kinder nutzen. Die Teilnahmequoten sinken mit zunehmendem Alter, ab der U 7 – zum dritten Geburtstag –, liegt sie unter dem Ziel von 95 Prozent. Der Rückgang zeigt sich besonders bei Familien mit niedrigem Sozialstatus: Hier nehmen schon die U 5 nur noch weniger als 95 Prozent der Eltern in Anspruch.

Impfraten

Bei den Impfraten gegen die Masern, Mumps und Röteln erreicht Potsdam derzeit nicht die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen 95 Prozent. Zwischen den einzelnen Stadtteilen gibt es hier erhebliche Unterschiede: Waren 2012 etwa in Zentrum Ost 100 Prozent der Kinder gegen Masern geimpft, schaffte es die Brandenburger Vorstadt gerade mal auf 79,9 Prozent, auch die Nauener und Berliner Vorstadt landeten nur bei 82,9 Prozent.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })