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Landeshauptstadt: Risse im Jugendhaus

Die Villa Wildwuchs, Zentrale der Potsdamer Streetworker, ist marode: Doch wie nun weiter?

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Wenn es in Potsdam stark regnet, muss Streetworker Stephan Mertens strategisch geschickt Eimer und Töpfe platzieren, damit seine Arbeitsstätte nicht voll Wasser läuft. Er ist einer der Sozialarbeiter in der Villa Wildwuchs, dem idyllisch am Havelufer gelegenen Flachbau der Straßensozialarbeiter des Diakonischen Werks Potsdam. Von ihrem Hauptquartier aus am Babelsberger Park sollen sie Jugendlichen bei Schwierigkeiten helfen – und haben selbst welche. „Wir haben hier viele Probleme mit dem Bau: Das Wasser dringt durch das Dach, das Mauerwerk ist feucht, manchmal reißen Rollos, wenn man an ihnen zieht“, sagt Mertens. Zwischen Vorbau und Haupthaus sind Risse in der Treppe entstanden, weil sich der vordere Teil absenkt.

Die marode Situation kennt auch Marcel Kankarowitsch, der Geschäftsführer der Diakonie. Er will das Problem ganz einfach lösen: Das Streetworker-Team soll umziehen. Als Platz ab dem kommenden Winter kann er sich einen DDR-Bau am Hubertusdamm 50 vorstellen, in dem sich die Wildwüchser mit einem Kindergarten das Haus teilen müssten. Ein anderes mögliches Gebäude liegt in Potsdam-West. Doch beides, so sagt auch Kankarowitsch als Diakoniechef, sei „nicht optimal“ für Besucherkontakte. Beim Hubertusdamm liegt dies an der abschüssigen Lage fast in Steinstücken, in Potsdam-West an möglichen Beschwerden allzu hellhöriger Nachbarn. Allerdings sei ein zentraler Standort eher nachrangig angesichts der tatsächlichen Aufgaben der Streetworker: „Ihre Arbeit ist ja direkt in den Stadtteilen, bei den Jugendlichen – da ist ihre Zentrale nicht die wichtigste Frage.“ Und angesichts des immensen Sanierungsbedarfs des Hauses – von 200 000 Euro spricht die Stadtverwaltung – sei diese Summe für die Villa eine unverhältnismäßige Investition: „Ich glaube, dass ist eher ein Fall für den Bagger.“ Auch Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller, sie könnte Geld in ihren Haushalt einstellen, sieht keinen Spielraum: „Wir haben nicht das Geld.“

Manche sehen das anders. Mike Schubert zum Beispiel, Fraktionschef der SPD im Stadtparlament. Er hat dort einen Antrag eingebracht, der den Erhalt der Villa fordert. Danach soll der Kommunale Immobilienservice (KIS), der die städtischen Gebäude verwaltet, damit beauftragt werden, die Villa in einen Zustand zu versetzen, „der einen dauerhaften Betrieb erlaubt.“ Er könne sich einen Umzug in eine abgelegene Ecke hinter Babelsberg nicht vorstellen, sagt Schubert, „weil Jugendlichen der Weg dann zu weit wird“.

Auch die Sozialarbeiter vor Ort scheinen einen möglichen Umzug eher skeptisch zu sehen, wenn sie betonen, dass viele ihrer „Bildungsprojekte mit Freizeitcharakter“ am Babelsberger Park am besten funktionieren. Da ist zum Beispiel Waldemar Jungbluth und seine Arbeit mit russischsprachigen Jugendlichen. Seit eineinhalb Jahren kommen sie regelmäßig her, etwa zum Angeln oder Kochen. „Waldemar muss ihnen nur die Angeln geben und dann können sie an die Havel“, sagt Mertens. Sein Chef Gunnar Schulz erinnert zudem an den ersten Umzug der Streetworker, als sie vor Jahren schon von der zentralen Lindenstraße in die Villa umsiedelten: „Schon damals sind viele Kontakte verloren gegangen.“ Jetzt so fürchtet er, könnten noch mehr Jugendliche wegbleiben. „Manche kommen einfach mit einem Formular, etwa vom Arbeitsamt, zu uns und wollen es sich von uns erklären lassen – oder sie haben Probleme, die sie nicht mit ihren Eltern bereden können.“ Er und sein Team würden sich deswegen ungern „an den Rand der Stadt drücken lassen“. Und Mertens wundert sich über die plötzlich so hohen Kosten – vor allem die Dachsanierung sei wichtig, diese würde nur bis zu 15 000 Euro kosten.

Doch vorerst wird sich an der misslichen Lage nur wenig ändern. Der SPD-Antrag zum Erhalt der Villa wurde gestern von den Stadtverordneten zur Beratung in den Jugendhilfeausschuss verwiesen. Dort war er schon einmal – und wurde nicht beraten, weil der zuständige SPD-Vertreter Claus Wartenberg fehlte. So geht das Eimer- und Töpfeschleppen bei Regen zunächst erst einmal weiter.

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