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Landeshauptstadt: Romeo- und Julia-Vorstellung vom Leben

Anja Kling erzählt über ihren ersten Film: „Grüne Hochzeit“. Damals war sie 18

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Schrill geschminkt und mit glitzernden Schleifchen im toupierten Haar erschien die damals 18-jährige Anja Kling mit ihren Freundinnen zu Probeaufnahmen. „Wir wollten uns einen Gag machen“, erzählt die Potsdamer Schauspielerin in die Kamera. Sie sitzt im Garten der Mangerstraße 19 und zieht die Ärmel ihrer hellgrauen Strickjacke lang. Der Wolken- Sonne-Wechsel wärmt nicht und macht dem kleinen Kamerateam um Ausbilder Uwe Fleischer das Leben schwer.

Hier unter dem Baum, der die Lieblingsäpfel von Sat1.-Moderator Ulrich Meyer trägt, entsteht Bonusmaterial zum Herrmann Zschoche-Film „Grüne Hochzeit“ (1988). In dem hatte Anja Kling als „Susanne“ ihre erste Hauptrolle gespielt; ein Set befand sich in dem inzwischen von Medienmann Meyer sanierten Anwesen in der Berliner Vorstadt.

Über Zeitung und Hörfunk hatte die Defa das Gesicht zu „Susanne“ gesucht. Nur auf Drängen ihrer Schwester und Schauspielerin Gerit Kling und weil ihre Klassenkameradinnen auch mit dabei waren, habe sie sich beworben. „Als wir dort hineinschneiten, bekamen wir erst mal Watte und Creme in die Hand gedrückt mit der Order, uns abzuschminken“, erinnert sich Anja Kling. Dann hätten alle den selben Text in die Hand gedrückt bekommen und mussten hintereinander die 17-jährige Susanne sprechen. „Ich weiß ihn noch“, sagt die Schauspielerin. Also, Susannes Freund Robert sagt: „Was ist los mit Dir?“ Sie: „Vierter Monat.“ Er: „Scheiße.“ Sie (schluchzend): „Ich will keine Abtreibung.“ Er: „Dann nehmen wir es eben.“ Susanne und Robert sind sehr jung, als sie heiraten und fast zu jung, um schon Eltern zu sein. Dennoch glauben sie an die Kraft ihrer ersten Liebe, die sie auch eine Weile trägt, bis die ersten Schwierigkeiten kommen und Robert sich in eine andere verliebt. Der Film erzähle keine DDR-spezifische Problematik, sagt Anja Kling. Und: Er funktioniert auch heute noch. Es sei die sehr kindliche Romeo- und Julia-Vorstellung vom Leben, die dann durch den Alltag eingeholt werde. Trotzdem ist die Mutter von zwei Kindern überzeugt, dass Susanne und Robert heute noch zusammen sein könnten – trotz aller Widrigkeiten. „Wenn also Zschoche die ,Kristall-Hochzeit“ als Fortsetzung machen möchte ich bin dabei.“

Der Regisseur war damals schnell angetan von dem Talent der Anja Kling. Die damalige Oberschülerin habe den Vorsprechtext sehr überzeugend vorgetragen, erinnert sich Zschoche an einer anderen Stelle der Bonus-DVD, die von Auszubildenden des Lehrberufs Mediengestalter Bild und Ton von Studio Babelsberg zusammen gestellt wird. Regisseur Zschoche entschied sich sofort für Anja Kling. „Es ging für mich um nichts“, sagt sie. Im Unterschied zu ihrer großen Schwester Gerit Kling, die bereits als Vierjährige im Film „Goya“ eine Nebenrolle und mit sechs Jahren eine tragende Rolle spielte, habe Anja keinerlei schauspielerische Ambitionen gehabt, sagt auch Vater Ulrich Kling. „Ich habe nicht diskutiert, sondern einfach gemacht, was der Regisseur von mir verlangte“, erzählt Anja Kling, wie es funktionierte. Als sie sich allerdings für eine Szene ausziehen sollte, sei sie doch zickig geworden. „Das ist bis heute noch so. Das mache ich nicht gern.“

Nach „Grüne Hochzeit“ allerdings folgte Angebot auf Angebot, zum Beispiel für den „Polizeiruf 110“ oder auch „Tatort“. Für Ulrich Kling, der am 13. Mai 1964 seinen ersten Arbeitstag bei der Defa hatte und immer noch im heutigen Studio Babelsberg arbeitet, ist es selbstverständlich geworden, die Töchter im Fernsehen oder auf der Leinwand zu sehen.

Die Film-Familie Kling steht übrigens in der Langen Nacht der Museen am 30. September im Mittelpunkt des Potsdamer Filmmuseums in der Breite Straße. Es würden Ausschnitte aus alten Filmen und das frisch entstandene Bonusmaterial gezeigt, sagt Uwe Fleischer, der als ehemaliger Leiter der Defa-Trickabteilung zu den alten Hasen der Branche zählt.

Bei Fleischer auf dem Defa-Gelände habe sie im Rahmen der schulbegleitenden „Wipra“, der wissenschaftlich-praktischen Arbeit, gelernt, das Filme schrumpfen, sagt Anja Kling lachend. Davor habe sie im Werkunterricht Kartenentwerter gebaut und repariert. Als die inzwischen 35-Jährige genau schilderte, wie die Automaten aufgebaut waren, Mittelplatten und Farbbänder auszutauschen waren, lief die Kamera allerdings nicht mit.

Nicola Klusemann

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