Landeshauptstadt: Roter Samt für die Alkoven
Stiftungs-Werkstatt für Raumausstattung trägt zur Einrichtung des Nordflügels im Marmorpalais bei
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Mitte April werden im Marmorpalais nun auch die beiden Flügelbauten wiedereröffnet. Der Nordflügel wird mit Kunstwerken und Interieur aus den Zeiten zwischen König Friedrich Wilhelm IV. (reg. 1840 - 1861) und Kaiser Wilhelm II. (reg. 1888 - 1918) ausgestattet.
An den Vorbereitungen ist auch die auf dem Restaurierungshof im Neuen Garten untergebrachte Stiftungswerkstatt für Raumausstattung beteiligt.Werkstattleiterin Hannelore Hein zeigt Bahnen eines bordeauxroten Samtstoffes, aus dem Vorhänge für die Alkoven im Kloebersaal angefertigt werden. Unter Hitze durch eine Walze eingeprägt ist eine feine Ornamentik mit Blumen- und Rankenmotiven. An der Wand hängen dazugehörige Posamenten, als Verzierungen dienende Troddeln und Fransen.
Der Auswahl des geeigneten Stoffes gehen in der Stiftung detaillierte Untersuchungen durch die Stiftungskustodin für Textilien, die Kunsthistorikerin Susanne Evers, voraus. Dafür zieht sie erhaltene Reste der Originale, das Textildepot der Stiftung, Akten und Veröffentlichungen, Gemälde und Fotografien heran. Dabei muss äußerst präzise vorgegangen werden, denn „das Rosa des 19. Jahrhunderts ist nicht das Rosa des 18. Jahrhunderts“, stellt Hannelore Hein klar. Der Stoff wird von spezialisierten Herstellern bezogen, bei größeren Posten wird eine originalgetreue Rekonstruktion in Auftrag gegeben. Da diese Stoffe dann auch nach dem historischen Verfahren gewebt werden, sind sie mit 200 Euro je Meter für den 0,57 - 1,20 Meter breiten Streifen sehr teuer. Hochwertige Seiden können sogar bis 1000 Euro kosten.
Leider besitzen sie die hohe Lichtempfindlichkeit ihrer Vorgänger. Schon drei Jahre nach Fertigstellung des Marmorpalais waren einige Seidentapeten verschlissen und fielen von den Wänden. Die herrschaftlichen Bewohner waren sich des hohen Wertes der Textilien wohl bewusst, hielten in nicht genutzten Räumen die Fensterläden geschlossen und versahen die Möbel mit einem dekorativen Schutzbezug, Husse genannt. Er ist mit Krönchen geschmückt und wird noch heute in der Stiftung verwendet. Bei vollem Lichteinfall während der Besichtigungszeiten gäbe Hannelore Hein den nachgewebten Kostbarkeiten nicht viel mehr als zwei Jahrzehnte Lebensdauer. Der von Christa Zitzmann geleitete Fachbereich Texitilien der Stiftung setzt deshalb derzeit ein Forschungsprojekt für neue Methoden des Lichtschutzes um. Auch das Marmorpalais ist schon mit auf die Scheiben geklebten Fensterfolien und Verosolvorhängen ausgestattet, die zwar Licht durchlassen, aber die zerstörerische Ultraviolettstrahlung und Wärme reflektieren. Ziel ist, diese Wirkungen in einem einheitlichen Gewebe zu vereinen.
Als ab 1965 mit der beginnenden Generalrestaurierung der Potsdamer Schlösser auch Restaurierungswerkstätten aufgebaut wurden, gab es für die devisenschwache DDR kaum Möglichkeiten für den Import solcher Stoffe aus dem westlichen Ausland. Deshalb bemühten sich die Potsdamer Textilrestauroren gemeinsam mit inländischen Webereien, so dem VEB brokat Mühltroff/Vogtland, die Technologie zur Herstellung historischer Stoffe wiederzubeleben. Zehn Jahre dauerte es, bis 1978 die erste originalgetreue Rekonstruktion eines „pfirsichblüthfarbenen“ Damastes für das Audienzzimmer im Schloss Sanssouci geliefert werden konnte. Die Mühltroffer Weberei, heute reprivatisiert und wieder im Besitz der Familie Eschke, überstand die „Wende“, und die Posamenten werden nach wie vor von der Firma Schink aus Dresden geliefert. Zudem kann heute wieder auf traditionsreiche Webereien aus dem französischen Lyon, die schon für Kaiser Wilhelm II. arbeiteten, aus Italien oder England zurückgegriffen werden.
In der Werkstatt für Raumausstattung sind inzwischen die Restauratoren Diana Zill und Wolfgang Pfitzner dabei, Möbel für das Marmorpalais aufzuarbeiten. Dazu zählt eine für den Kloebersaal vorgesehene Garnitur aus einem Sofa und zwei Sesseln, die nach 1800 in Dänemark erworben worden war, sowie ein von Schlösserdirektor Dr. Burkhardt Göres aus dem Depot der Stiftung für die Blau-Gelbe Kammer ausgewähltes Sofa. Originale Möbel aus dem Nordflügel sind kaum noch vorhanden, sie müssen durch zeitgerechte Stücke ersetzt werden. Federn für die Rückenlehnen fand Pfitzner im Depot, alles verwendbares Originalmaterial wird bei der Neupolsterung wieder eingesetzt, sogar noch brauchbare Nägel. Obwohl mit einem großen Holzhammer und anderen durchaus irdischen Werkzeugen augestattet, geht Diana Zill äußerst behutsam mit dem kostbaren Stoff um. „Zum Befestigen wende ich lieber das Tackern an, das ist schonender“, erklärt die junge Frau, die auch die Restaurierung des Sterbesessels Friedrichs des Großen ausgeführt hatte.
Erhart Hohenstein
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