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Homepage: Rückkehr der „Rasse“

Ein fragwürdiger Begriff in aktuellen Gesetzen

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Es ist der Begriff, unter dessen Vorzeichen die Nationalsozialisten von 1933 bis 1945 Millionen Menschen auslöschten. Ein Begriff, der danach in Deutschland auf die Liste der geächteten Worte verschwand und seitdem ein Nischendasein in Anführungszeichen oder unter Hunde- und Katzenzüchtern führt: Die „Rasse“. Weder in der Gesellschaftswissenschaft noch unter Biologen spielt der Begriff heute eine Rolle. Er findet sich allerdings in zentralen deutschen Gesetzestexten, allen voran das Grundgesetz und das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Bei einer Fachtagung zum Begriff „Rasse“ in der aktuellen Gesetzgebung am gestrigen Dienstag diskutierten Juristen, Geschichts- und Sozialwissenschaftler den möglichen Verzicht auf den fragwürdigen Begriff. Eingeladen hatte das Moses-Mendelsohn-Zentrum des Institutes für Jüdische Studien der Universität Potsdam.

Der entscheidende Satz steht im dritten Artikel der bundesdeutschen Verfassung: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“, heißt es da. Damit verlange der Gesetzgeber eine Antwort auf die Frage „Welcher Rasse gehöre ich an?“, argumentierte der Jurist Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Er sieht damit die Glaubwürdigkeit der Gesetzestexte in Gefahr: Während inhaltlich gegen Rassismus vorgegangen werden soll, sei die konkrete Formulierung eine Einladung zum Denken in „Rasse“-Kategorien. „Der Begriff Rasse ist für mich vergiftet und gehört aus Gesetzestexten entfernt“, betonte er und plädierte für eine Ersetzung durch die Formulierung „rassistische Diskriminierung“.

Für eine Änderung sprach sich auch Karin Weiss, Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg und Professorin für Sozialwissenschaft an der Fachhochschule Potsdam, aus. Sie stellt seit Inkrafttreten des Gleichbehandlungsgesetzes vor vier Jahren sogar eine Rückkehr des Begriffs „Rasse“ in den alltäglichen Sprachgebrauch fest. Zum Beispiel bei Workshops zur Vorbeugung von Diskriminierung am Arbeitsplatz, zu denen Arbeitgeber nun neu verpflichtet sind. Denn dabei müsse unter anderem diskutiert werden, was unter „Diskriminierung aufgrund der Rasse“ zu verstehen ist.

Weiss plädierte gestern für eine Überarbeitung der betroffenen brandenburgischen Landesgesetze. Der Begriff tauche derzeit in der Landesverfassung und im Schulgesetz auf, außerdem sei an insgesamt sechs weiteren Stellen von „rassischer Herkunft“ oder „rassischen Gruppen“ die Rede. Die Integrationsbeauftragte schlug vor, eine Gruppe aus Juristen, Sprachwissenschaftlern und Betroffenen mit der Erarbeitung von alternativen Formulierungen zu beauftragen.

Skepsis an den Umbenennungsvorhaben äußerte Christian Geulen, Geschichtsprofessor von der Universität Koblenz-Landau. Die Streichung des Begriffes schaffe das Problem nicht aus der Welt. Es sei auch fraglich, wie plausibel eine neue Sprachregelung für Opfer rassistischer Angriffe sei. Zudem werde die Kategorie „Rasse“ nicht nur von Rassisten, sondern auch zur Selbstbeschreibung verwendet. Jana Haase

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