Landeshauptstadt: Rückkehr ins Jetzt
In den Roten Kasernen finden Frauen beim Yoga zu sich selbst – nach dem Prinzip Stellung und Gegenstellung, Anspannung und Entspannung
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In den Roten Kasernen finden Frauen beim Yoga zu sich selbst – nach dem Prinzip Stellung und Gegenstellung, Anspannung und Entspannung Von Karsten Sawalski Ommmmm. Acht Frauen sitzen auf dem Fußboden, im Schneidersitz auf blauen Matten. Sie haben die Augen geschlossen und lassen die Arme entspannt in den Schoss fallen. Das gemeinsame Summen schwebt für mehrere Minuten durch den Raum und übertönt die Geräusche der Autos auf der Nedlitzer Straße, die durch das geöffnete Fenster in die Roten Kasernen eindringen. Bis 1994 herrschte hier ein anderer Ton. Wo einst russische Offiziere Befehle brüllten, finden heute Frauen zu sich selbst. „Bring’ die Aufmerksamkeit auf einen Punkt“, sagt die Yoga-Lehrerin. Ihre Stimme vereint Beruhigung und Aufforderung. Sabine Th. Zimmermann legt zwischen jede Anweisung eine bedeutende Pause. „Beobachte deine Atmung – lass’ die Dinge des Tages vorbeiziehen – komme an im Jetzt“. Yoga habe viel mit „Loslassen“ zu tun, erzählt eine der Teilnehmerinnen, die zwischen Anfang zwanzig bis Mitte vierzig Jahre alt sind. Es sei weder reine Gymnastik, noch müsse man sich vorher mit fernöstlicher Philosophie beschäftigen. Nur zur Einstimmung hatte Zimmermann indische Sitar-Musik vom CD-Player laufen lassen und ein Räucherstäbchen entzündet. „Für mich ist es die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen“, sagt Marion Mair. Die 39-jährige Berlinerin arbeitet im Marketing-Bereich. Alleine zu Hause übt sie nicht gern, weil ihr dort das Umfeld fehlt, dass sie für ihre Meditation braucht. Der Trainingsbereich unter dem Dach der Roten Kasernen ist auf das Wesentlichste beschränkt, wirkt aber keineswegs kalt. Vier große dunkle Balken teilen und stützen den weiß gestrichenen Raum. Gegen das viele Weiß wirken die wenigen Farben intensiver. Ein kleiner, bunter Blumenstrauß auf dem cremefarbenen Teppichboden lässt an die Farbenpracht in einem tropischen Garten denken. Als die Lehrerin zum Abschluss Zitronentee, Früchte und Nüsse serviert, ist die Illusion perfekt. „Yoga ist Strecken und Öffnen des Körpers in Verbindung mit bewusster Atmung“, erklärt die Lehrerin. Für Untrainierte ist das konzentrierte Ein- und Ausatmen nicht leicht, auch körperlich nicht. „Atmen zu müssen war für mich wie Ersticken“, sagt eine junge Frau nach ihrem ersten Übungsabend. Das sei für sie nur so unangenehm, weil es ungewohnt ist, erklärt Zimmermann. „Werdet mit jeder Einatmung feiner, subtiler“, weist sie ihre Schülerinnen während des Trainings an. Die stehen auf einem Bein, halten im Wechsel das rechte oder linke Nasenloch zu, schließen das Riechorgan ganz, um danach noch tiefer einzuatmen. „Zieht die Sinne nach innen, geht in euren Raum der Stille!“ Total entspannt seien sie, sagen alle Frauen nach dem Yoga-Seminar. Dabei haben sie während der 90 Minuten körperlich einiges geleistet: Von einfachen Lockerungsübungen bis zum Kopfstand. Das „Fallenlassen“ wird wörtlich genommen. Die Frauen liegen flach auf dem Rücken, heben nacheinander Beine und Arme an und lassen die Glieder wieder fallen. Dabei werden alle Muskeln angesprochen. „Macht ein kleines, spitzes Gesicht!“, fordert die Yoga-Lehrerin ihre Teilnehmer auf, „als ob ihr in eine Zitrone beißt oder wie eine Maus“. Tiere verdeutlichen die Stellungen des Körpers. Die Frauen hocken wie Frösche, liegen flach auf dem Bauch wie eine Kobra oder werden zum Fisch, indem sie Po und Beine lang auf dem Boden ausstrecken, dabei ins Hohlkreuz gehen und den Nacken so weit nach hinten überstrecken, dass der Kopf die Matte berührt – Fortgeschrittene überkreuzen dann noch die Beine, damit der Fisch auch Flossen bekommt. „Lasst den Atem wieder zur Ruhe kommen“, rät Zimmermann nach der Krähe. Die Frauen stützen den eigenen Körper allein mit der Muskelkraft ihrer Arme ab, während die Beine angewinkelt in der Luft schweben, um in die Haltung des Vogels zu kommen. Für die meisten ist es anstrengend, auch wenn sie es nicht zugeben wollen. Aber Übung soll den Meister machen. Die Yoga-Lehrerin behauptet Unglaubliches: „Der Kopfstand ist eine ruhige Stellung, die wir 10 bis 15 Minuten halten können.“ Sabine Th. Zimmermann unterrichtet Hatha Yoga, bei dem nach dem Prinzip Stellung, Gegenstellung, Anspannung, Entspannung gearbeitet wird. Das Trainingsprogramm basiert auf fünf Elementen: Die Körperübungen sollen auf den gesamten Organismus wirken, das bewusste Atmen gibt Kraft und Erholung für den Geist, die tiefe Entspannung löst Verspannungen, Konzentration und Meditation sorgen für Klarheit der Gedanken, eine ausgewogene Ernährung dient der Widerstandskraft. Sportbegeisterung und das Streben nach Präzision begleiten den beruflichen Weg von Sabine Th. Zimmermann. Sie war Landesskilehrerin und unterrichtet heute als ausgebildete Yoga-Lehrerin und Personal-Trainerin im Einzelunterricht, in verschiedenen Institutionen und Fitness-Clubs. Besonders Manager und Führungskräfte schätzen ihre Arbeit, in der sie Gestalt- und Bewegungslehre mit der Praxis des Yoga verbindet. Auch Männer sind an der fernöstlichen Bewegungslehre interessiert. „In Berlin habe ich Kurse, wo zu 80 Prozent Männer dabei sind“, erzählt Zimmermann. Darunter sind Bodybuilder, die durch zu viel Muskelmasse in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind und die merken, dass Yoga auch Leistung ist. Gegen Verspannungen durch den Büroalltag hilft es bei Männern wie bei Frauen. „Ich hatte große Rückenprobleme, die ich in zwei Monaten mit dem Yoga beseitigen konnte“, erzählt eine der Teilnehmerinnen. Eine andere fügt hinzu, dass sich ihre gesamte Körperhaltung ins Positive verbessert habe seitdem sie den Kurs besuche. Dabei sei der Effekt der Yoga-Übungen ganzheitlicher als das Training in einem Fitness-Club. „Ich bin viel entspannter, gesammelter und bei mir und es wirkt auch länger“, sagt Mair, die einige Zeit Ausdauersport betrieb. Manche Teilnehmer reagieren sehr emotional. „Ich musste beim Yoga einmal unvermittelt weinen“, gibt eine andere Frau zu. Das intensive Strecken und Öffnen des Körpers habe bei ihr diesen glücklichen Gefühlsausbruch verursacht. „Senkt den Kopf zum Herzen“, sagt Zimmermann zum Abschluss. Dann stimmen sie gemeinsam ein Om an. Weitere Informationen bei Sabine Th. Zimmermann, Telefon: (030) 81821800 oder im Internet unter www.personal-yoga.com
Karsten Sawalski
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