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Homepage: Ruinige Ruinen

Zum Semesterstart führte Schlösserchef Dorgerloh die neuen FH-Studenten der Bauerhaltung über den Ruinenberg

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Zum Semesterstart führte Schlösserchef Dorgerloh die neuen FH-Studenten der Bauerhaltung über den Ruinenberg Von Jan Kixmüller Gleich am ersten Tag gab es Anschauungsunterricht. Im gleißenden Sonnenschein durchschritt Schlösserdirektor Prof. Hartmut Dorgerloh mit den 14 neuen Bauerhaltungs-Studenten der Fachhochschule Potsdam das frühlingsschwangere Grün des Pfingstbergs. Vorbei an dem rekonstruierten Brunnen, ein kurzer Stopp an der Römischen Bank, ein Schulterblick zum italisierenden Dörfchen des Krongut Bornstedt und weiter zur Historischen Mühle. Nach gut einer Stunde war ein ganzes Bündel von Aufgaben für die angehenden Spezialisten im Umgang mit historischer Bausubstanz zusammengekommen. „Die Schlösserstiftung hat es mit Gebäuden aus 400 Jahren Hohenzollernherrschaft zu tun“, umreißt der Schlösserchef das architektonische Erbe. „Im Umgang damit werden Allround-Könner gebraucht.“ Zum Beispiel die „Empfangssituation“ an der Historischen Mühle, die in naher Zukunft vollkommen neu gestaltet werden soll. Hier beabsichtigt man das im Bombenkrieg niedergebrannte Schweizer Haus wieder aufzubauen. Nur wie, im Original, oder als Neubau im Antlitz von Sanssouci? Schon auf dem Gipfel hatte Dorgerloh eine kniffelige Frage aufgeworfen: Wie „ruinig“ sollen oder dürfen die künstlichen Ruinen des Ruinenbergs mit Rücksicht auf die Baustatik überhaupt sein? Spannende Aufgaben, die in Zukunft vielleicht von den Absolventen des neuen Masterstudiengangs Bauerhaltung gelöst werden. Die Kooperation zwischen Schlösserstiftung und FH bietet eine Grundlage dafür. Über Aufträge soll der drei- bis viersemestrige Studiengang, für den die Studierenden Abschlüsse im Baubereich nachweisen müssen, in Zukunft auch finanziert werden. 500 Euro pro Semester zahlt jeder Student für Material und Labortätigkeiten. Wenn Abschlussarbeiten in enger Zusammenarbeit mit Baufirmen verwirklicht werden, könnten pro Studenten noch einmal um die 5000 Euro hinzukommen. Geld, das dringend nötig ist, da aus den Landestöpfen für das neue Lehrangebot keine Extramittel fließen. Wer in Zeiten knapper Kassen Innovation anbieten will, muss eben auch neue Wege gehen. Innovativ ist der Studiengang Bauerhaltung / Bauen im Bestand in jedem Fall. Prof. Johannes Vielhaber fallen zwar an der TU Berlin, in Dresden und in Bamberg ähnliche Studiengänge ein, doch mit seinem starken Praxisbezug sei das Potsdamer Angebot derzeit einmalig. Und der Bedarf für technisch gut ausgebildete Bauingenieure, die mit historischer Bausubstanz klar kommen, ist nach Ansicht der Fachhochschule gerade in der Region sehr groß. Einerseits gibt es in den Neuen Bundesländern nach wie vor eine Großzahl historischer Bauten, die noch auf eine Sanierung oder Einbettung in moderne Bauvorhaben warten. Zum anderen verweist die FH nur zu gerne auf die erwähnte Kooperation mit der Schlösserstiftung. Die Zahl der eingerüsteten Gebäude im Umfeld des Ruinenbergs scheint dieser Einschätzung Recht zu geben. Überhaupt machen die Bauingenieure deutschlandweit einen wachsenden Markt im Bereich der Altbausanierung aus. Für die Denkmalpflege gibt es bislang schon Studiengänge, doch bei Konstruktionsfragen aus Sicht der Bauingenieure hat die FH eine Lücke in der Ausbildung ausgemacht. Prof. Johannes Vielhaber fällt es nicht schwer, den Bedarf an Bauerhaltungs-Spezialisten zu verdeutlichen. „Wir sitzen hier in einem Raum, der statisch nicht in Ordnung ist“, sagt er in einem der sanierten Kasernengebäude der FH an der Pappelallee. Doch mit Experimenten und einer eingehenden Bauprüfung hat der Fachmann nachgewiesen, dass die Konstruktion durchaus trägt. „Sonst würde ich mich hier auch nicht hinein setzten“, merkt er trocken an. Vielhaber erstellt Gutachten zu solchen Fragen, das neue Labor- und Werkstattgebäude mit seiner Prüfhalle gibt dazu ideale Bedingen. Und Prof. Vielhaber habe es gerne, wenn es beim Test richtig kracht, scherzen seine Kollegen. Der neue Studiengang wird sich im wesentlichen mit dem Bauen ab dem Jahre 1800 beschäftigen. Eisen, Stahl, Beton und Holz ist ein Schwerpunkt, daneben neues Bauen in historischer Substanz, Konstruktion, Bauschäden, Bauschutz und Baurecht. Der erste Jahrgang setzt sich zu 80 Prozent aus Bauingenieuren zusammen, Zweidrittel sind Absolventen der FH, das Durchschnittsalter der zwei Frauen und 12 Männer beträgt 33 Jahre. Und wenn auch manch einer der Studierenden während Dorgerlohs Rundgang über das Fahrradverbot in den Schlösserparks witzelt, der Auftrag der Schlösserstiftung „Erhalten, Erschließen und Vermitteln“ dürfte den zukünftigen Spezialisten ein breites Arbeitsfeld in der Region eröffnen. Heute schon ist die zweite Exkursion: zum Potsdamer Kaiserbahnhof. Bewerbungen für das kommende Jahr bis 15. Januar 2005, Infos unter bauerhaltung@fh-potsdam.de.

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