Landeshauptstadt: „Rumkommen macht mir Spaß“
Zivildienstersatz in London: Robert Barthelmes half bei der Betreuung von Menschen mit Behinderung
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Englisch ist nicht gleich Englisch. Das lernte Robert Barthelmes gleich am ersten Tag seines Zivildienstersatzjahres in London – es war ein Donnerstag im nebeligen November. Am Flughafen angekommen, bat der Potsdamer einen Taxifahrer, ihn in den Stadtteil Lewisham zu fahren. Als Antwort bekam er einen Stadtplan in die Hand gedrückt. Durchgefallen. Dabei hatte der Abiturient ausgerechnet in Sachen Englisch vorher „kaum Bedenken“ gehabt. Schließlich hatte er auf einer dreiwöchigen Sprachreise bereits Praxiserfahrungen gesammelt. Heute lacht Barthelmes, wenn er sich an die Szene erinnert: Wie man Lewisham richtig ausspricht – mit einem „sch“ in der Mitte – kann man ja auch beim besten Willen nicht ahnen.
An seine Zivi-Zeit in der britischen Metropole denkt der 23-Jährige, der mittlerweile in Potsdam Sportwissenschaft und Englisch auf Lehramt studiert, offensichtlich gerne zurück. Auf die Idee, den Zivildienst im Ausland zu absolvieren, brachte ihn ein Freund, der nach Boston gegangen war. „Ich bin aus einer Reisefamilie“, erklärt Barthelmes: „Rumkommen macht mir absolut Spaß.“
Geklappt hat es bei ihm dann gleich im ersten Anlauf: Die Vermittlungsorganisation Via e.V. – der Verein für internationalen und interkulturellen Austausch – nahm ihn nach bestandenem Sprachtest an, erinnert sich Barthelmes. Das Zielland Großbritannien war klar: „Ich konnte mir aber nicht aussuchen, wo und was ich mache“, erzählt Barthelmes. Als er im August das obligatorische dreiwöchige Zivildienstseminar belegte, stand noch immer nicht fest, wo und als was er eigentlich arbeiten sollte.
Mit der Arbeit bei „Aurora Charity“ – so hieß die Einrichtung für betreutes Wohnen für Menschen mit Behinderung – war er dann aber zufrieden: „Ich wurde freundlich aufgenommen“, erinnert sich der Potsdamer. Untergebracht war er in einer Wohngemeinschaft. Nach vier Tagen Eingewöhnungszeit begann der Alltag: Barthelmes half bei der Betreuung einer Gruppe von sechs Behinderten. Berührungsängste habe er keine gehabt, erinnert er sich. Er begleitete die Gruppe zum Beispiel zu Tanz- und Kunstkursen und beim wöchentlichen Einkauf.
Und wieder war die Sprache ein Thema: Sei es die der Patienten, die oft mehr nuschelten als deutlich sprachen, oder die seiner Kollegen – zum großen Teil Migranten aus Afrika. Denn Lewisham ist ein „schwarzes Viertel“, lernte Barthelmes. Bei der Fahrt zur Arbeit sei er oft der einzige Weiße im Bus gewesen.
Anders als seine Kollegen musste er als Zivi keine Nachtschichten übernehmen. Er war auch nie allein mit der Gruppe unterwegs. Trotzdem sei er anfangs „platt“ gewesen, wenn er abends nach Hause kam. In den ersten beiden Monaten habe er sich „recht einsam“ gefühlt.
Das änderte sich, als er im neuen Jahr andere Zivis in der Themsestadt kennen lernte. Zusammen spielten sie Snooker – eine Variante des Billards auf einem größerem Tisch – oder zogen durchs Nachtleben: In der Brick Lane, einer Straße im Stadtteil East End, zum Beispiel. Dafür reichten die 60 Pfund Taschengeld pro Woche – umgerechnet etwa 90 Euro – auch im teuren London aus. Selbst ein Urlaub in Barcelona lag im Budget: Eine willkommene Abwechslung für Barthelmes, hielt sich doch das Novemberwetter in London noch bis zum Februar.
Trotzdem kann er sich vorstellen, wieder in die britische Hauptstadt zu gehen: „Absolut“, sagt er überzeugt. „Die Stadt ist multikulti und steht nie still“, so seine Begründung. Die nötigen Sprachkenntnisse hat der Potsdamer nun definitiv: Denn den Test zum „Cambridge Advanced Certificate“ hat er erfolgreich bestanden. Jana Haase
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