
© Andreas Klaer
Klinikum „Ernst von Bergmann“: Rundum-Sorglos-Paket für Frühchen
Das kleine Mädchen kam viele Wochen zu früh. Nach fast drei Monaten auf der Frühchenstation des Klinikums „Ernst von Bergmann“ konnte das Kind jetzt endlich nach Hause – mit einem Gewicht von 1800 Gramm.
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Potsdam - „Die Eltern sind sehr mutig“, sagte Kathrin Vogler. Sie freue sich sehr, dass sie sich das zutrauen. Das liege sicher auch an dem neuen Nachsorgekonzept, das seit Juni im Klinikum praktiziert wird, so Vogler. Die gelernte Kinderkrankenschwester absolvierte eine umfassende Weiterbildung zur Fallmanagerin bei der Deutschen Gesellschaft für Care and Case Management – jetzt leitet sie ein Team aus sechs Schwestern an, die die Betreuung gewährleisten sollen.
Am gestrigen Donnerstag wurde das Konzept im Klinikum vorgestellt: Neu ist, dass die Betreuung demnächst als Kassenleistung abgerechnet werden soll, wenn es die Diagnose erlaubt. Frühgeburten zählen dazu, so Professor Radke, Chefarzt der Kinderklinik, aber auch einige andere schwere Erkrankungen. Allerdings: „Noch ist kein Vertrag mit der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen unterschrieben“, so Radke. So müssen alle Leistungen einzeln beantragt und genehmigt werden. Bereits vor fünf Monaten hat das Klinikum beantragt, als anerkannte Einrichtung der Frühgeborenennachsorge registriert zu werden. Das würde die Abrechnungen vereinfachen, für beide Seiten, so Pflegedienstleiter Sebastian Dienst. Man gehe aber davon aus, dass innerhalb der kommenden zwei Wochen eine Vereinbarung abgeschlossen werden kann.
200 Kinder werden pro Jahr im Klinikum betreut. Dank modernster Medizintechnik haben die meisten eine gute Überlebenschance, sagte Radke. Bisher wurden acht Frühgeborene per neuem Nachsorgekonzept betreut - das Klinikum geht dafür in Vorleistung. Die Mitarbeiter mussten geschult werden, es wurde ein Auto bestellt, das im Oktober geliefert wird. Die Arbeit auf der Station hat sich verändert und umfassend erweitert: Von Anfang an bekommen die Eltern jetzt einen festen Ansprechpartner zur Seite gestellt, eine Schwester, die dadurch mit dem Kind, den Eltern und der Gesamtsituation in der Familie – dazu gehören Geschwister, die Wohn- und Arbeitssituation und eventuell weitere Erkrankungen – vertraut werden kann. Diese Einschätzung sei sehr wichtig, um vorausschauend Kooperationen zu planen: Eventuell müsse das Jugend- oder Sozialamt hinzugezogen werden oder ein Kinderpsychologe, so Vogler.
Damit die Eltern nach der hundertprozentigen Obhut im Krankenhaus nicht plötzlich ganz auf sich gestellt sind, sei auch die Begleitung des Übergangs wichtig, so Radke. Sonst komme es schnell zu dem sogenannten Drehtüreffekt, wenn Eltern zu Hause mit der Pflege nicht zurechtkommen, unsicher oder tatsächlich überfordert sind und das Kind kurze Zeit später wieder auf Station muss.
Jetzt macht die persönliche Betreuerin bereits vor der Entlassung Hausbesuche. Nach dem Entlassungstag kommt sie mehrmals in der Woche. Es seien manchmal einfachste Dinge wie Gewichtskontrolle oder Körperpflege; manche Kinder brauchen aber auch Hilfe bei der Nahrungsaufnahme, sagt Vogler. Es gibt eine Telefonnummer, die rund um die Uhr besetzt ist. „Das beruhigt die Eltern“, sagt die Fallmanagerin. Notfalls komme eben auch nachts jemand zu den Eltern und schaut nach dem Kind. Das kleine Mädchen hätte vermutlich noch zwei Wochen länger auf Station bleiben müssen, wenn die Überwachung durch das Team nicht gewährleistet wäre.
Der neue Service soll die Familien langfristig begleiten. „Wir helfen bei der Suche nach dem passenden Physiotherapeutin, den weiterbehandelnden Ärzten. Wir vermitteln Kontakte zu bestehenden Hilfsangeboten und Selbsthilfegruppen“, sagt Vogler. Es gebe Überlegungen, ein Spendenkonto für soziale Härtefälle einzurichten. Steffi Pyanoe
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