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ORTSTERMIN: Runterschlucken und weiter

Es ist nicht alles wunderbar, aber: „Wir werden Trump verdauen“, sagt John Kornblum. Am Donnerstagabend – der Countdown zur Amtseinführung von Donald Trump läuft – ist der einstige Diplomat und US-Botschafter bei der Potsdamer Juristischen Gesellschaft zu Gast.

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Es ist nicht alles wunderbar, aber: „Wir werden Trump verdauen“, sagt John Kornblum. Am Donnerstagabend – der Countdown zur Amtseinführung von Donald Trump läuft – ist der einstige Diplomat und US-Botschafter bei der Potsdamer Juristischen Gesellschaft zu Gast. „Donald Trump als Präsident der USA – das Ende der Nachkriegsordnung“ heißt sein Vortrag. Die Bibliothek im Veraltungsgericht ist mit etwa 150 Besuchern rappelvoll.

Kornblum kennt das Phänomen. „Die Leute wollen jetzt hören, dieses und jenes muss passieren“, sagt der 73-Jährige. „Aber das kann man so nicht sagen. Veränderungen brauchen Zeit. Sie werden verdaut, diskutiert und angewendet.“

Es ist die Nachkriegsgesellschaft, die Kornblum gut kennt. Der Politikwissenschaftler aus Michigan trat mit 21 Jahren in den diplomatischen Dienst der USA, arbeitete in Deutschland und Europa, zuletzt bis 2001 als Botschafter unter Bill Clinton in Berlin. Heute ist er in Aufsichtsräten und als Berater für Unternehmen tätig. Donnerstagabend liefert er eine Einschätzung aus der Sicht eines erfahrenen Weltbeobachters. Ein nicht ganz sorgenfreier, aber doch eher unaufgeregter Blick über den deutschen Tellerrand hinaus. Zuerst gibt es einen Grundkurs Europa. Der beginnt mit dem Potsdamer Abkommen der Siegermächte 1945. Damals wurden die Fundamente für eine neue Ordnung gelegt. „Auf die Dinge war Verlass, selbst die Russen hielten sich an die Spielregeln“, sagt er. Das neue Weltgetriebe hielt.

Aber 70 Jahre sind eine lange Zeit, so lange bleiben Systeme selten stabil, erst recht, wenn nebenher eine technologische Revolution stattfindet. Globalisierung und Digitalisierung sind nichts Schlechtes, sagt Kornblum. An die Digitalisierung werde sogar er sich gewöhnen und Globalisierung bringt Wohlstand, hat bereits jetzt Millionen Menschen aus der Armut geholt – freilich an anderen Ecken und Enden der Welt als der „westlichen“.

Eine Folge ist, dass die bisher vom Schicksal begünstigten Menschen in Europa und den USA nervös werden. Ein Beispiel: Kornblums Heimatstadt Detroit ist aufgrund der Automatisierung der Autoindustrie – der dritte Veränderungsfaktor – von zwei Millionen auf 600 000 Einwohner geschrumpft. „Detroit ist kaputt.“ Donald Trump kommt also für viele Menschen genau richtig. Er vermittelt Gefühle und macht Versprechungen. Dafür nimmt man auch dessen komischen Seiten in Kauf, Ausländer- und Schwulenfeindlichkeit, sein „barockes Verhältnis zu Frauen“.

Die Potsdamer wollen wissen, wie viel Macht der Neue hat. Weniger als man meint, so Kornblum, das sei dem föderalistischen System der USA geschuldet. Und der Wirtschaft. Sollte er Klimaverträge aufkündigen, was er könnte, so ist die Tendenz zum Klimaschutz dennoch nicht aufzuhalten. „Die Industrie ist einfach schon weiter.“ In der Nato habe er wenig Spielraum, könne aber Unruhe stiften. Hätte eine Präsidentin Clinton die Welt besser zusammengehalten, fragt ein Zuhörer. Vermutlich hätte es den Veränderungsprozess nur verzögert, sagt Kornblum. Ein Zurück gibt es nicht. Zum Schluss tröstende Worte: Übergangszeiten sind schwierig, aber irgendwie auch aufregend.

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