Landeshauptstadt: Sabbat leicht gemacht
In der Kita „Märchenwald“ lernen jüdische Kinder im Spiel religiöse Bräuche
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In der Kita „Märchenwald“ lernen jüdische Kinder im Spiel religiöse Bräuche Heute sind sie nur zu sechs, sonst zu elft. Die Drei- und Vierjährigen sitzen auf ihren kleinen Stühlchen um den kleinen runden Tisch. Zwischen ihnen sitzt Hanna Miwli, die 20-jährige Erzieherin, und spricht das Morgengebet – auf Hebräisch. Lisa, Nicole, Mascha, Sonya, Shayla und Artur haben drei Dinge gemeinsam: Sie kommen aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, haben jüdische Wurzeln und Eltern, die kaum mehr über das Judentum wissen als die ungefähre Bedeutung der bekanntesten Feste, wie dem Lichterfest „Chanukka“ oder dem Versöhnungstag „Jom Kippur“. Hier in der jüdischen Integrationskindertagesstätte „Märchenwald“ lernen sie seit knapp einem Jahr spielerisch die Traditionen, die Religion und Sprache des jüdischen Volkes kennen. Um die Vermittlung der Traditionen kümmern sich Hanna und Moria, die für ein Jahr aus Israel nach Deutschland gezogen sind. Sie sprechen nur hebräisch mit den Kindern, die genau genommen, sogar dreisprachig aufwachsen: Hebräisch sprechen sie im Kindergarten, Russisch mit den Eltern und Deutsch mit den nicht jüdischen Erzieherinnen und Kindern der Kita. Die jüdischen Kinder haben einen eigenen Raum, der auf den ersten Blick wie die anderen Gruppenräume aussieht: Es gibt Spielzeuge, Malsachen, Kuscheltiere, Bilder und bunte Buchstaben an den Wänden. Doch hier sind sie aus dem hebräischen Alphabet und auch unter den Bildern von Tugenden und Geboten prangt die so genannte Quadratschrift. Auf den zweiten Blick fällt ein siebenarmiger Kerzenständer auf – die Menora. In der einen Ecke steht ein kleiner Tisch mit einer Kerze und einer Spendendose. Unter einem weißen Tuch liegen die „Challah“, zwei Weißbrote – der „Schabbat-Winkel“, wie ihn Nochum Pressman nennt. Was im deutschen Duden unter „Sabbat“ steht und von den Juden „Schabbat“ ausgesprochen wird, beginnt jeden Freitagnachmittag mit dem Gedenken an das Ruhen Gottes am siebenten Tag der Schöpfungswoche und an den Auszug der Hebräer aus der ägyptischen Gefangenschaft. Er ist ein besonderer Tag für die Juden. „Die Kinder wissen immer freitags: Heute ist Schabbat und freuen sich“, sagt der Pressmann. Der Rabbiner ist der Leiter der kleinen Integrationsgruppe, die ein Teil der weltweit aktiven „Chabad Lubawitch“-Bewegung ist, einer Gemeinschaft des orthodoxen Judentums. Er ist der festen Überzeugung, dass die Integration der Kinder besser klappt, wenn sie ihre jüdische Identität festigen können: „Dabei ist es wichtig, dass sie das jüdische Leben sehen“, sagt der Rabbiner, „und wir nicht immer nur erklären und Lektionen machen.“ Zum Beispiel kocht Frau Abramowa koscheres Mittagessen für die Kleinen. Die Küche, in die Artur ständig ausbüchst, obwohl er mit Hanna und den anderen malen soll, ist zweigeteilt – wie es sich für eine richtige jüdische Küche gehört. Es gibt zwei Herde, zwei Waschbecken und zwei Geschirrschränke, weil Milch- und Fleischspeisen getrennt voneinander zubereitet werden müssen. Damit die Kinder wissen, welche Speisen auf welcher Seite zubereitet werden müssen, hängt eine große Wandtafel in der Küche, auf der Käse, Fleisch, Milch und andere Lebensmittel getrennt voneinander abgebildet sind. Rund zwei Drittel des Tages verbringen die jüdischen Kinder mit den übrigen 200 Kindern in der Kita. „Sie lernen natürlich auch alles über deutsche Traditionen, Sprache und Mentalität “, sagt Rabbiner Pressman und das geschieht in den anderen Gruppen mit den deutschen Erzieherinnen. Jeden Morgen um neun Uhr findet der „Morgenkreis“ statt. Heute hat der kleine Lukas Geburtstag und die jüdischen Kinder singen das Geburtstagslied laut mit. Dann geht es mit den anderen raus auf den Spielplatz. „Aber noch vermischen sich die Kinder nicht so sehr, wie gewünscht“, sagt der Rabbiner. Sie sprächen meist russisch untereinander. Viele Eltern hätten daher die Sorge, dass die Kinder nicht richtig Deutsch lernen. Aber Rabbiner Pressman ist sich sicher, dass es in ein, zwei Jahren anders sein wird. Seine beiden Söhne, die jetzt in Berlin eingeschult wurden, hätten früher mit ihren jüdischen Freunden auch nicht Deutsch gesprochen. Heute ist das anders. Rabbiner Pressman schätzt, dass es ungefähr 40 bis 50 Kinder in Potsdam gibt, für die das Angebot der Integrationskita sinnvoll wäre. Aber sie zu finden sei schwierig, da junge Familien meistens nicht in den jüdischen Gemeinden seien. Um auch die Eltern, die laut Rabbiner Pressman wenig über jüdische Traditionen wissen, mit ins Boot der Integration zu ziehen, nehmen die jüdischen Kinder jeden Freitagnachmittag eine kleine Mappe mit nach Hause. Damit kann der kleine Artur am Wochenende seiner Mama, zeigen, was er die Woche über gelernt, gebastelt und gemalt hat.
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