Landeshauptstadt: Sand, Vlies und Reisig gegen die Flut
Mehr als 80 freiwillige Helfer aus Potsdam sind zurück aus dem Flutgebiet in der Prignitz – Sportler, Schüler und eine Klinik organisieren weitere Hilfe
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Für die Potsdamer Katastrophenschutzhelfer war es der erste große Einsatz seit dem Elbehochwasser im Jahr 2002: Seit dem Sonntag waren insgesamt 72 freiwillige Feuerwehrleute, neun Einsatzkräfte des Deutschen Roten Kreuzes und fünf Taucher der Wasserwacht östlich von Wittenberge unterwegs, um das Dorf Breese vor der Überflutung durch die Stepenitz, einen Elbezufluss, zu bewahren. Am Mittwochabend begrüßte die Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger (parteilos) die Männer und Frauen mit den sonnengebräunten Gesichtern auf dem Hof der Feuerwehr in der Holzmarktstraße und dankte für den Einsatz.
Einsatzleiter Rainer Schulz war bereits am Samstag in die Prignitz gefahren, um sich einen Überblick zu verschaffen. Gemeinsam mit Helfern aus der Region und aus anderen Teilen Deutschlands errichteten die Potsdamer einen 3,5 Kilometer langen Deich, um Breese vor der Stepenitz zu schützen. Die Mauer aus Sandsäcken musste auf der Wasserseite von Tauchern zusätzlich mit Vlies und Folie abgedichtet werden. „Wir haben eine ganze Menge gelernt über Deichbau“, bilanzierte Schulz, der schon 2002 in Dresden mitgeholfen hatte.
Von den 14 Fahrzeugen aus Potsdam waren besonders die zwei neuen Wechsellader gefragt. Täglich waren sie unterwegs, um Reisigbündel aus Rathenow zu holen: Mit den vier Meter langen Kiefernholz-Bündeln seien aufgeweichte Deiche vor dem Ausschwemmen geschützt worden, erklärte Schulz.
An einen Acht-Stunden-Tag war für die Helfer kaum zu denken: „Am Sonntag waren wir von der Abfahrt um sechs Uhr bis 24 Uhr auf den Beinen“, sagte Benjamin Oschmann, der sich von der Wasserwacht als Helfer gemeldet hatte. Die Stimmung in der Kameradschaft sei sehr gut gewesen, auch von der Bevölkerung habe es viel Zuspruch und Hilfsangebote gegeben, so Oschmann, der auch die Verpflegung durch die aus Potsdam mitgefahrene Gruppe des Deutschen Roten Kreuzes lobte: „Ohne Mampf kein Kampf.“
Für warmen Kaffee und Rührei am Morgen – wichtig nach den bis zu sechs Grad kalten Nächten – und die stärkende Mahlzeit am Abend sorgte DRK-Verpflegungschef Uwe Hoffmann vor Ort mit zehn Kollegen. „Die größte Herausforderung war, am Sonntag um vier aufzustehen“, sagte der 35-Jährige lächelnd. Obdach hatten die Potsdamer bei der Freiwilligen Feuerwehr Spiegelhagen gefunden.
Besonders dramatische Situationen erlebte Feuerwehrmann Dennis Rudolph: Der 32-Jährige war bereits in der vergangenen Woche in Zwickau und Pirna im Einsatz bei der sogenannten wassergestützen Luftrettung gemeinsam mit Kollegen der Bundespolizei. Mit dem Hubschrauber evakuierte er mehrere geflutete Häuser und rettete die Bewohner. „Sie bekommen eine Schlinge umgelegt und werden 60 Meter in die Luft gezogen“, erklärte er. Auch mit dem Notarzt war er in den von den Wassermassen abgeschnittenen Gebieten unterwegs. Bei Bitterfeld konnte er einem Radfahrer das Leben retten: Dem Mann hatte es bei einem Deichbruch das Rad unter den Füßen weggezogen, er konnte sich nur noch an einem Ast festhalten. „Wir haben ihn hochgezogen, versorgt und dem Rettungswagen übergeben.“
Ob der Einsatz für die Potsdamer Helfer jetzt wirklich zu Ende ist, sei noch nicht klar, betonte Feuerwehrchef Wolfgang Hülsebeck: „Es kann durchaus sein, dass es noch weitergeht, zum Beispiel wenn es Evakuierungen gibt.“ So sind am gestrigen Mittwoch bereits wieder zwei Kollegen mit 160 Betten für ein Notfallaufnahmelager nach Kyritz gefahren.
An Benefiz-Aktionen für die Flutopfer beteiligen sich indes auch mehrere Potsdamer Sportler: Tabea Kemme, Kapitänin der Frauenfußballerinnen von Turbine Potsdam, versteigert unter anderem ihr Trikot aus dem Champions-League-Finalspiel 2011, wie sie auf ihrer Seite auf der Internet-Plattform Facebook mitteilte. Die Erlöse sollen zu einem Teil Flutopfern zugute kommen: „Ein weiterer Teil geht an eine kenianische Schule, die sich damit Schulbücher finanzieren kann“, schreibt die Fußballerin.
Auch ihre Mannschaftskollegin, Turbine-Torhüterin Anna Felicitas Sarholz, beteiligt sich an einer Versteigerung zugunsten von besonderen Hochwasseropfern: Über Facebook organisierte der Berliner Handball-Trainer Daniel Untermann die Aktion „Handballer helfen“ zugunsten kleiner Handballvereine. Über den Freundeskreis des Deutschen Handballs e.V. hätten sich bereits 40 Vereine gemeldet, deren Ausstattung – Bälle und Trikots – durch die Flut unbrauchbar wurde. „Das sind Vereine in Dörfern, die an der Basis arbeiten“, sagte Untermann den PNN. Für die Aktion hätten sich schon 107 prominente Spender gefunden. Aus Potsdam beteiligen sich neben Sarholz die beiden VfL-Handballer Alexander Urban und Niels Jürschke, der Canadier-Olympiasieger Kurt Kuschela und die Judo-Olympiasiegerin Yvonne Bönisch. Die Versteigerung auf der Internetplattform Ebay soll am 21. Juni starten.
Auch die Schüler des Humboldt-Gymnasiums wollen den Flutopfern helfen: Beim Afrikafest am morgigen Freitag werden nicht nur Spenden für eine Taubstummenschule in Ghana gesammelt, sondern auch für Betroffene des Hochwassers, teilte die Schule mit. Hilfe für obdachlos gewordene Flutopfer bieten die Dr. Ebel Fachkliniken, zu denen die Heinrich-Heine-Klinik in Neu Fahrland gehört, an. Zahlreiche Patientenzimmer stünden kostenlos zur Verfügung, hieß es. Jana Haase
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