Von Guido Berg: Saures in der Waldstadt
Im Süden Potsdams, wo die Spaßbad-Entscheidung wenig Freude macht, hat es der Oberbürgermeister beim Kandidaten-Talk schwer
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Waldstadt - Wenn die Kinder zu Halloween „Süßes oder Saures!“ rufen, dann gibt es fast immer nur Süßes. Wenn sich Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) dieser Tage zum Argumente-Duell mit seinen Herausforderern stellt, ist natürlich genau das Gegenteil der Fall. Kein Wunder, den alle anderen wollen sein Amt. Doch wenn er auch noch nahezu das gesamte Publikum gegen sich hat, dann wird es ganz besonders sauer. Nein, es war kein Heimspiel für Jakobs, der Wahltalk am Donnerstagabend in der Waldstadt. Dort sind viele immer noch erbost, dass das neue Freizeitbad nicht am Brauhausberg, sondern im Bornstedter Feld gebaut wird.
Gleich zu Anfang schmierte der Linke Hans-Jürgen Scharfenberg dem Oberbürgermeister das Baddesaster aufs Brot: Er selbst sei es gewesen, der „große Anstrengungen“ unternommen habe, damit der Süden Potsdams nicht „abgekoppelt“ werde. Es sei schwierig, wenn die Erfolge im Süden „immer nur einer für sich beansprucht“, versuchte Jakobs zu kontern. Doch längst hatte auch Benjamin Bauer (Die Andere) Gefallen an dem Thema gefunden: Fünf Millionen Euro habe die Stadt in den Sand des Brauhausberges versenkt. Jakobs zufolge seien es „nur“ drei Millionen Euro, die wegen des gescheiterten Niemeyer-Bades verloren seien. Schließlich sei durch die Munitionsberäumung auch ein Wert entstanden. Schuld am Niemeyer-Scheitern sei das Land, das zu seinen Förderzusagen nicht stand. Das Bornstedter Feld wurde als Standort gewählt, weil dort Areal zur Verfügung steht. Zudem: „Das Bevölkerungswachstum findet im Potsdamer Norden statt“, so Jakobs. Bei derart detaillierten Fragestellungen sahen die nicht seit Jahren im Lokalen präsenten Kandidaten nicht sehr gut aus. Marcel Yon (FDP) bot lediglich an, den Leuten im Süden „besser zuzuhören“, während Marie Luise von Halem (Bündnisgrüne) auf ihre Themen zusteuern wollte: „Ich trete an für energetische Gebäudesanierung und eine Verbesserung der Radwege.“ Mit ihrem Blick-nach- vorn-Appell vermochte auch Barbara Richstein (CDU) – „Die Badentscheidung ist gefallen, aber wie kann jeder daran teilhaben?“ – nicht zu punkten. Jedenfalls nicht bei einem Waldstädter, der hervorstieß: „Die ist viel zu abstrakt, die Frau.“
Auch wenn es allen eher darum ging, dem Amtsinhaber das Fell zu gerben, entsponnen sich kurze, aber heftige Nebengefechte zwischen Yon und Scharfenberg. „Reicher Norden, armer Süden – was für eine blöde Debatte“ und auch „Hier wird gelogen, dass sich die Balken biegen“, ätzte Yon und behauptete mal eben so, die Linke habe dem Niemeyer-Bad sogar zugestimmt. Scharfenberg, sonst an diesem Abend mit gut gezügelter Leidenschaft agierend, sprang an wie ein vorgeglühter Dieselmotor: „Herr Yon, ohne jede Sachkenntnis machen Sie klare Bewertungen!“
Irgendwann rissen die Waldstädter das Recht an sich, selbst Meinungen zu äußern und Fragen zu stellen. Für den Lacher des Abends sorgte eine Frau, die erklärte, niemand von den Politikern lasse sich in der Waldstadt sehen, außer einer von der CDU, „der Herr Schubert“. Sollte sie Mike Schubert gemeint haben, so lag sie falsch, der ist SPD-Chef der Stadt.
Wohnungsmangel in Potsdam war ein zweites großes Themenfeld, das es zu beackern galt. Dabei zeigte sich, dass der Böse an sich in diesem Fall einmal nicht Jakobs, sondern der private Wohnbauinvestor Theodor Semmelhaack ist. Jedenfalls in der Augen vieler Waldstädter. Semmelhaacks Kaltmieten lägen weit über dem Wert, den das Amt bezahlt. „Die Behinderten fallen durch das Raster. Wir werden ins Thusnelda-Haus abgeschoben“, erklärte eine behinderte Frau. Ein anderer Talk-Gast fragte, warum die Genossenschaft „Karl Marx“ billiger bauen könne als Semmelhaack; an der Architektur könne es nicht liegen, bei seinem Bahnhofsviertel habe „er sich auch kein Bein ausgerissen“. Wahrscheinlich war es die Einer-gegen-alle-Stimmung, die Jakobs zurückhaltender werden ließ. So war es Scharfenberg, der die Sache mit Semmelhaack gerade rückte: Dieser trage mit seinem privaten Engagement zur Entlastung auf dem Wohnungsmarkt bei. Würden keine Wohnungen gebaut, stiegen die Mieten noch schneller an.
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