Landeshauptstadt: „Schamlos ausgenutzt“
DGB-Berzirksvorsitzende Doro Zinke über die neue Beratungsstelle für ausgebeutete Arbeitsmigranten in Potsdam
Stand:
Frau Zinke, in dieser Woche hat der Deutsche Gewerkschaftsbund in Potsdam eine Beratungsstelle für ausländische Arbeitnehmer eingerichtet, die von Ausbeutung betroffen sind. Warum ausgrechnet in Potsdam?
Die Internationale Arbeitsorganisation rechnet damit, dass weltweit 21 Millionen Menschen zur Zwangsarbeit genötigt und so ausgebeutet werden. Das Phänomen tritt leider auch zunehmend in unseren Breitengraden auf, also auch in Berlin und Brandenburg. Wobei das Bundeskriminalamt von einer großen Dunkelziffer ausgeht: Verbrechen drängen nicht ans Tageslicht. Wir haben Beispiele aus der Landwirtschaft und der Gastronomie, die nahelegen, dass wir uns diesem Problem widmen müssen.
Wer sind die Betroffenen, wo kommen sie her und sind es fast ausschließlich Männer?
Am stärksten sind Menschen aus Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Polen, Lettland, Litauen betroffen, deren ökonomische Notlage wie Arbeitslosigkeit und meist hohe Verschuldung schamlos ausgenutzt wird. Es trifft Männer wie Frauen.
Inwiefern werden die Betroffenen ausgebeutet, unter was für Bedingungen müssen die Menschen arbeiten?
Vielfach werden den Betroffenen über Wochen Löhne vorenthalten. Oft werden ihnen die Pässe abgenommen; über ihre rechtliche Situation wissen sie nichts. Häufig gehören Wohnungen zum vereinbarten Service des Vermittlers – da hausen sie dann unter menschenunwürdigen Verhältnissen. Sie sprechen kein Deutsch, kennen ihre Rechte nicht. Deshalb brauchen sie Unterstützung und vor allem Erste Hilfe bei sozialen und tariflichen Problemen. In der Regel haben sie beträchtliche Summe an Schlepper oder sog. Vermittler bezahlt, um hier arbeiten zu dürfen. Zwang und Gewaltanwendung nehmen oft subtile Formen an, das lässt sich bisweilen kaum nachweisen.
In welchen Branchen sind die Bedingungen besonders schlecht?
Wir finden diese Formen der Ausbeutung vor allem in der Landwirtschaft, der Gastronomie und dem Bau.
Unternimmt die rot-rote Landesregierung Brandenburgs aus Ihrer Sicht genug, um der Ausbeutung einen Riegel vorzuschieben?
In Deutschland ist Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung seit 2005 in den Paragraf 232 und 233 des Strafgesetzbuches als Delikt verankert. Hier sind die Behörden gefordert, mehr zu überprüfen und zu kontrollieren, das ist mehr als Schwarzarbeit, das ist Nötigung und gemeine Ausbeutung und die Arbeitgeber verdienen sich damit eine goldene Nase.
Wie können Sie helfen?
Wir haben auch in Frankfurt an der Oder eine Beratungsstelle eingerichtet, es geht um Erste Hilfe bei Tariffragen und ähnlichem; dabei gibt es enge Zusammenarbeit mit den Zoll- und Polizeibehörden, damit die internationalen Täterstrukturen aufgespürt werden können.
Die Fragen stelle Matthias Matern
Die Beratungsstelle im DGB-Haus in der Breitestraße 9a ist donnerstags von von 10 bis 15 Uhr geöffnet.
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