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Landeshauptstadt: Schiefe Zähne

Die 13-jährige Elmira aus dem Iran braucht eine Zahnspange. Sozialamt aber übernimmt die Kosten nicht, da die Familie noch kein Asyl hat

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Die beiden größten Wünsche der 13-jährigen Elmira Afshar sind Fußballspielen und eine Zahnspange. Ihre Zähne will sie sich spätestens richten lassen, seit fast alle ihrer Mitschüler in der Karl-Foerster-Grundschule die aus Draht gebogenen Korrekteure im Mund tragen. Das Sozialamt allerdings will die Kosten für die Klammer nicht übernehmen.

Vor zweieinhalb Jahren kam Elmira mit ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder aus dem Iran nach Deutschland. Ihr Asylantrag ist bisher noch nicht entschieden. Ein Grund, warum die Behörde die Kostenübernahme für die Behandlung in einer veranschlagten Höhe von über 2500 Euro verweigert. Sollte die Familie wieder zurück in den Iran müssen, sei dort die Fortsetzung der zahnärztlichen Behandlung nicht gewährleistet. Das versteht die 13-Jährige nicht. „Schließlich gibt es dort auch Zahnärzte.“

Ihr Kiefer ist zu klein für die großen Zähne. Weil die Eckzähne im Oberkiefer keinen Platz mehr fanden, ragen sie jetzt seitlich aus der Zahnreihe heraus. Im Unterkiefer brechen zwei Backenzähne erst gar nicht durch, weil die übrigen Zähne keine Lücke lassen. Das Apfelessen falle ihr schwer, erzählt das dunkelhaarige Mädchen. Ganz harte Sachen wie Nüsse zu kauen, ginge im Grunde gar nicht. Wenn sie fest zubeiße, würden die Spitzen ihrer Eckzähne in die Mundschleimhaut drücken. Das schmerze ein wenig, sagt Elmira.

Als die 13-Jährige das letzte Mal bei der ihrer Kieferorthopädin Dr. Brigitta Alder in Behandlung war, sei sie kein Akutfall gewesen, erklärt die Zahnärztin. Die Beiß- und Kaufähigkeit sei nicht beeinträchtigt gewesen. Das Mädchen sei nicht unterernährt und leide auch keine Schmerzen. Alles Kriterien, die eine sofortige Behandlung unnötig machten. Dennoch hatte die Babelsberger Kieferorthopädin zweimal einen Antrag auf Übernahme der Kosten für die zahnmedizinische Korrektur gestellt. „Das Sozialamt hat uns dazu ermutigt“, sagt Brigitta Alder. Beim ersten Negativbescheid habe es noch geheißen, die eingereichten Befunde seien zu alt. Statt gleich zu sagen, dass ein Kind aus einer Familie mit laufendem Asylersuchen keine Zahnspange bekäme, erbat das Sozialamt aktuellere Unterlagen. „Das weckt doch Hoffnungen“, sagt die Zahnärztin. Nun also wurde der Antrag auf Kostenübernahme erneut nicht gewährt. Sobald die Familie Afshar Asyl in Deutschland hat, sei sie auch krankenversichert. „Dann übernimmt die Kasse sofort“, erklärt die Kieferorthopädin. Bis dahin müsse sich Elmira einfach gedulden. „Uns geht keine Zeit verloren. Eine Zahnkorrektur ist auch noch in einigen Jahren möglich“, tröstet Brigitta Alder ihre junge Patientin. „Meine älteste Zahnspangenträgerin war über 60 Jahre.“

Allgemein habe der Gesetzgeber für die Kostenerstattung der Krankenkassen Regeln aufgestellt. So werde die kieferorthopädische Behandlung nur von der gesetzlichen Kasse getragen, wenn das Gebiss erheblich von der Norm abweiche, erklärt die Fachzahnärztin. Das allerdings sei bei Elmira gegeben. So stünden ihre Eckzähne so weit heraus, dass es hier zu einer so genannten „Kontaktpunktabweichung“ von mehr als drei Millimeter käme. Das zahle die Krankenkasse, ist Brigitta Alder zuversichtlich.

Von einer Karriere als Fußballspielerin träumt das Mädchen aus dem Iran übrigens, seit sie vor einem Jahr beim Girls Camp von Turbine mitgemacht hat. Beim Kicken störten die schiefen Zähne natürlich nicht, lacht sie. Fußballspielen sei eine tolle Abwechslung zum eher ereignislosen Alltag im Asylbewerberheim.

Nicola Klusemann

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