Von Sonja Schreiber: Schießereien und Tricks beim Essen Einmal Mexiko, einmal China: Welche Erfahrungen junge Potsdamer im Ausland machen
Manchmal kommt sich Romi Bühner vor wie in einem Thriller. „Man hört so viele Geschichten aus der Drogenszene“, sagt die 22-Jährige.
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Manchmal kommt sich Romi Bühner vor wie in einem Thriller. „Man hört so viele Geschichten aus der Drogenszene“, sagt die 22-Jährige. Eigentlich studiert sie an der Universität Potsdam Soziologie und Spanisch. Doch seit Januar lebt sie für ein Auslandssemester in Montberrey, einer Großstadt im Norden Mexikos – ein Leben zwischen schwerer Kriminalität und tollen Landschaften.
Auch Tausende Kilometer vom Zuhause in Potsdam entfernt muss sich Gabriel Kern täglich neu mit „eklatanten Kulturunterschieden“ arrangieren. In einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) arbeitet der 20-jährige Potsdamer seit Sommer in China: als Englischlehrer in einer der ärmsten Provinzen des Riesenreichs. „Faszinierend“ findet er diese Zeit, trotz oder gerade wegen der „Fremdartigkeit der chinesischen Lebensweise“.
Interkulturelle Kompetenz und neue Perspektiven auf die Welt sind Eigenschaften, die Romi und Gabriel von ihren Monaten im Ausland mit nach Hause bringen wollen. Manche Eindrücke haben schon jetzt langanhaltenden Wert. Romi Bühner erzählt: „Weil die lokalen Medien viel zu wenig berichten, hört man nur über Mund-zu-Mund-Propaganda, ob an diesem Wochenende eine Drogenbande in der Stadt sein wird.“ Dann seien bestimmte Orte tabu. „Letztes Wochenende war zwei Straßen weiter wieder eine große Schießerei.“ Romi Bühner kann mit der Situation umgehen, sagt sie. Sie habe sich vor dem Aufenthalt in Mexiko eingehend über die Gegebenheiten im Land informiert. Ein anderer Kontinent biete eben „kulturelle Herausforderung und Horizonterweiterung“.
Gabriels Reise ins „Reich der Mitte“ war weniger geplant. Im Internet stieß er zufällig auf ein Schulprojekt im chinesischen Liuku, welches Freiwillige suchte, die Englisch lehren sollten. Dieses Projekt habe ihn sofort fasziniert, nach überstandenem Bewerbungsverfahren und fast ohne Sprachkenntnisse trat er die Fahrt an. Der Einstieg fiel leicht. Es sei „beinahe wie eine Klassenfahrt“ gewesen, erzählt Gabriel, „da ich die ersten fünf Tage gemeinsam mit weiteren Freiwilligen in Hotels verbrachte“. Ein Crashkurs in chinesischer Kultur stand auf dem Programm. Ein Beispiel für die unterschiedlichen Gebräuche in Europa und China ist für Gabriel Kern das Essen in einem Restaurant: Chinesen zu solch einem Anlass einzuladen sei immer noch „eine äußerst komplizierte Angelegenheit“ und erfordere mindestens zwei Personen. „Während der eine die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, kann der andere versuchen sich wegzuschleichen und die Rechnung bezahlen“. Falls dies klappt, müsse man sich nur noch dagegen wehren, dass einem das Geld nicht nachträglich noch zugesteckt wird.
Erfahrungen mit liebenswerten Marotten und interessanten Menschen hat auch Romi gemacht. Anschluss habe sie schnell gefunden, die Sprache keine Probleme bereitet. Doch mittlerweile sei sie auch traurig, „weil hier so viel Grausamkeit herrscht“. Selbst die Polizei sei korrupt. Und auch die Armut, vor allem im Süden des Landes, bedauert Romi Bühner. Die Studentin bleibt noch bis September im Land – und klingt trotz der negativen Eindrücke weiterhin optimistisch. „Ich möchte bis dahin jede Gelegenheit nutzen, möglichst viele Orte kennen zu lernen.“
Auch Gabriel Kern fühlt sich nach seiner bisher in China verbrachten Zeit immer wohler. „Ich habe mich wunderbar eingelebt.“ Das betrifft auch den Umgang mit der Gesellschaft – eine Quasi-Diktatur – in der er nun lebt. „Im Smalltalk verzichtet man besser auf politische Themen“, sagt Kern. Und immer wieder würden auch Internetseiten wie YouTube hinter der „großen Firewall von China“ verschwinden. „Allerdings muss ich sagen, dass ich mir die Umstellung deutlich drastischer vorgestellt habe – ein Grund ist das unausgewogene Bild, welches in den Medien von China vermittelt wird und mich natürlich auch beeinflusst hat.“ Selbst das Essen fällt ihm mittlerweile relativ leicht: „Mich überrascht es aber immer noch, dass Stäbchen in den Händen von Chinesen mit Leichtigkeit sogar Messer ersetzen können.“ (mit HK)
Sonja Schreiber
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