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Fast ausgestorben. Ein Jungtier der Europäischen Sumpfschildkröte liegt am Montag in der Naturschutzstation Rhinluch auf einem Holzpodest. Von der Europäischen Sumpfschildkröte gibt es nur noch weniger als 70 erwachsene Tiere.

© Robert Schlesinger/dpa

Landeshauptstadt: Schildkröten ausgewildert

20 in der Mark aufgezogene Jungschildkröten sollen den Bestand erhalten

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Linum - Vorsichtig hebt Stationsleiter Norbert Schneeweiß eine junge Sumpfschildkröte aus ihrem Terrarium. Er befreit sie von einer Alge und setzt sie Umweltministerin Anita Tack (Linke) auf die Hand. Etwa 20 der seltenen Tiere aus der Naturschutzstation Rhinluch in Linum werden in den kommenden Wochen im Biosphärenreservat Schorfheide ausgewildert. „Wir haben die Tiere vermessen, gewogen und markiert“, sagt Schneeweiß. „Es ist alles vorbereitet.“ Seit 1994 hat Schneeweiß etwa 280 junge Europäische Sumpfschildkröten in die Freiheit entlassen. 20 bis 30 Prozent hätten überlebt, sagt er. Deutschlandweit gebe es diese Art nur noch in Brandenburg. „Wir haben weniger als 70 erwachsene Tiere“, sagt der Biologe. Waschbär, Marderhund und Mink machten ihnen das Leben schwer – vor allem der eingeschleppte nordamerikanische Waschbär habe gelernt, Schildkrötenpanzer zu knacken.

Behutsam putzt Schneeweiß mit einer Zahnbürste über den winzigen Schildkrötenpanzer. „Das machen wir mehrmals die Woche“, sagt er. Sonst lagerten sich Algen ab. „Das gibt so etwas wie Karies und Löcher im Panzer“, sagt der Stationsleiter. Tack beobachtet fasziniert die Tiere im Terrarium, die an grünen Schwimmpflanzen knabbern. Brandenburg besitze ein „einzigartiges Kleinod“, sagt sie. Das Land trage „große Verantwortung dafür, dass die biologische Artenvielfalt erhalten bleibe.

Schneeweiß öffnet einen Schrank, der wie ein Kühlschrank aussieht. „Das ist der Inkubator“, sagt er und zieht eine durchsichtige Box mit ovalen Schildkröteneiern heraus. Ein Zuchtweibchen lege einmal im Jahr bis zu 20 Eier. In Boxen würden diese bei exakt 28,5 Grad ausgebrütet. „Wenn es kälter ist, schlüpfen fast nur Männchen, wenn es wärmer ist, fast nur Weibchen“, sagt Schneeweiß. Die Station habe einmal 70 Prozent Weibchen erzeugt, um die Reproduktion zu erhöhen.

Der Präsident des Landesumweltamtes, Matthias Freude, deutet auf einen Schaukasten mit einem Sandhügel. „Die Europäische Sumpfschildkröte ist einzigartig“, betont er. Die etwa zwei Zentimeter großen Jungtiere buddelten sich nach ihrem Schlüpfen im Mai für zehn Monate im Sand ein. Anders könnten sie „im nördlichsten Verbeitungsgebiet für Sumpfschildkröten“ nicht überleben.

Die ausgewachsen, bis zu 20 Zentimeter großen Tiere atmen über den Darm, wenn die Sümpfe an der Oberfläche zufrieren, sagt Freude.

Unter dem Eis ließen die Schildkröten über den Darm Wasser in sich hinein und filterten den Sauerstoff heraus. „Das reicht ihnen aus.“ Wenn sich die Europäische Sumpfschildkröte mit anderen Arten mische, gingen womöglich die Fähigkeiten verloren. „Wir dürfen auf keinen Fall Fremdarten aussetzen“, warnt er.

Schneeweiß hält ein Schildkrötenbaby unter eine Laborlampe. „Wir sind das Einwohnermeldeamt für Sumpfschildkröten in Brandenburg“, scherzt er. Jedes Tier habe eine ganz eigene Zeichnung an Kopf und Beinen. Anhand der Ringe auf dem Panzer sei das Alter der Tiere ablesbar - wie bei einer Baumscheibe. Die Mitarbeiter der Station haben vielen Tieren einen Peilsender auf den Panzer geklebt. „Damit können wir sie etwa zwei Jahre lang verfolgen“, sagt Schneeweiß.

„Diese Schildkröte wurde von einem Waschbären geknackt“, sagt Freude und hält einen leeren Schildkrötenpanzer in die Luft. Auch das finde die Station über die Sender heraus. Wenn jemand käme und die Station schließen würde, gäbe es wohl bald keine Sumpfschildkröten mehr, sagt Freude besorgt. „Das wird nicht passieren“, verspricht Tack. „Wir halten schützend die Hände darauf.“

Sandra Hottenrott

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