
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Schlagzeugkabinen zur Miete
Fast zehn Jahre nach dem Start eröffnet die Freie Musikschule Potsdam eine neue Zweigstelle in Babelsberg. Ein Besuch bei Schulleiter Roland Menthel
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Roland Menthel blickt hinunter in den Innenhof der Lindenstraße 20. Drei Treppen hoch liegt das Hauptquartier der Freien Musikschule Potsdam mit zehn Unterrichts- und Büroräumen. Dort unten im Hof steht seit über einem Jahr ein Laden leer, ebenerdig, fast ausschließlich Glasfronten. Menthel und seine Frau Jessica wollten die zusätzlichen Räume anmieten, doch eine Musikschule wollte der Eigentümer dort, an einem so einsichtigen Standort, nicht haben. „Nun steht es also leer“, sagt Menthel und lächelt.
Er kennt das schon. Es hat fast drei Jahre gedauert, bis er passende Räume für die neue Zweigstelle in Babelsberg gefunden hat. Meistens hatten die Vermieter Angst, dass die Nachbarn sich über Lärmbelästigung aufregen könnten. „Aber in der Benzstraße wohnt über uns ein Anwalt, den das nicht stört“, sagt Menthel. Ab sofort wird auch in der Benzstraße 7, direkt am S-Bahnhof Babelsberg, unterrichtet. „Wir hatten immer wieder Anfragen von Eltern, ob wir nicht auch in dem Stadtgebiet unterrichten können“, sagt Menthel. Die neuen Räume sind ebenerdig und damit barrierefrei, alle Instrumente – bis auf Schlagzeug – können dort erlernt werden.
Jessica und Roland Menthel kamen 2004 aus Berlin nach Potsdam. „Wir waren nach Bertheau und Morgenstern die zweite private Musikschule in Potsdam“, sagt Roland Menthel. Er und seine Frau sind ausgebildete Diplominstrumentalpädagogen, sie arbeiteten in Berlin als Musiklehrer und an eigenen künstlerischen Projekten. In Potsdam stießen sie mit einer freien Musikschule auf großes Interesse: Am Ende des ersten Jahres hatten sie fast 100 Schüler. Heute sind es etwa 800. Vorerst ist Roland Menthel damit zufrieden. „Wenn wir zu sehr wachsen und zu einem Franchise-Unternehmen werden, dann leidet die Qualität, dann kann ich auch Würstchen verkaufen“, sagt der 44-Jährige leicht pragmatisch.
Er sieht den Vorteil der freien Schulen darin, dass diese flexibel sind, individueller und schneller als beispielsweise städtisch verwaltete Schulen auf ihre Schüler eingehen können. So gebe es bei ihnen keine Wartelisten, in der Regel könne man sofort mit dem Unterricht anfangen. Wenn es mit einem Lehrer nicht klappt, ist ein Wechsel jederzeit möglich. Unterrichtet wird in der Lindenstraße, in der Dortustraße, an städtischen Schulen oder im Probenzentrum in der Feuerbachstraße: Dort wurden in die Räume einer alten Tischlerei Schlagzeugkabinen gebaut, zum Freundschaftspreis von einem Kulissenbauer. „Das ist sonst richtig teuer“, sagt Menthel. Jetzt werden diese Räume auch an Bands vermietet. „Es gibt ja sonst kaum Probenräume in der Stadt“, meint Menthel.
Mehr als 50 Lehrer gehören zum Team der Schule, Menthel verlangt eine Hochschulausbildung „oder etwas Vergleichbares“. Grundsätzlich sind ihm Pädagogen lieber als Musiker, die sich etwas dazuverdienen wollen. Er erwartet Gespür für die Schüler, vielleicht, sagt er, muss man auch mal eine längere Flaute gemeinsam aushalten können: „Denn egal wie es läuft, die Kinder profitieren in jedem Fall vom Unterricht, auch wenn wir andererseits niemanden aus wirtschaftlichen Gründen durchschleppen.“
Zu ihren Schülern, die hier in fast allen Instrumenten in Klassik, Rock und Pop unterrichtet werden, gehören nicht nur Kinder und Jugendliche, 20 bis 30 Prozent sind Erwachsene bis hin zu Senioren. Viele kommen schon vormittags zum Unterricht, es wird aber auch bis in den späten Abend hinein musiziert. Mehrere Ensembles sind im Laufe der Zeit entstanden, ein Chor und eine Big Band, Streicherensemble und -quartett, ein Bläserensemble.
Es gebe in Potsdam ein breites Bildungsbürgertum, viele Eltern sind an einer musischen Erziehung ihrer Kinder interessiert. Davon profitiert mittlerweile eine ganze Musikschullandschaft: Längst haben sich neben Menthels Schule viele neue angesiedelt, auch private Lehrer. „Potsdam ist gut versorgt“, findet Roland Menthel. Und jede Schule habe ihre Nische. Zu ihm, so meint er, kommen eher die Alternativen, die, die auch in den Bioladen gehen. „Das sieht man schon an unserem grünen Logo.“ Steffi Pyanoe
Am Samstag, dem 9. März, von 10 bis 18 Uhr findet ein Tag der offenen Tür in der Benzstraße 7 statt.
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