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Landeshauptstadt: Schliemanns Erben im Schlamm

Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte bietet Einsteiger-Kurs für „Jung-Archäologen“ an

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Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte bietet Einsteiger-Kurs für „Jung-Archäologen“ an Von Karsten Sawalski Ganz so haben sich Schliemanns Erben die Archäologie dann wohl doch nicht vorgestellt. Ausgerüstet mit Schirmen und Schaufeln betritt die achtköpfige Gruppe das schlammige Grabungsareal am Alten Markt. Bei dem Begriff „Ausgrabung“ hatten die Kinder im Alter von acht bis elf Jahre wohl eher an Mumien unter ägyptischer Sonne gedacht – in Potsdam allerdings regnet es an diesem Donnerstagvormittag seit Stunden in Strömen. Trotzdem sind die jungen „Schatzsucher“, die es Schlieman, dem Entdecker Trojas, gleich tun wollen, eifrig bei der Sache: Schon nach wenigen Minuten findet der achtjährige Fabian eine Tonscherbe, die Archäologin Marita Genesis als Randstück von einem mittelalterlichen Kochtopf identifiziert. „Das ist ein sehr schönes Stück“, lobt die erfahrene Ausgräberin den Glückspilz. Fabian hatte nämlich neulich schon, in Griechenland am Strand, alte Münzen gefunden, wie er stolz erzählt. Auch Niklas aus Fichtenwalde wurde im heimischen Wald fündig. „Als wir dort eine Höhle bauten, habe ich die Münzen entdeckt – das war aber Zufall“, sagt der Zehnjährige, der die Archäologie nun zu seinem Berufswunsch erwählt hat. Dass Archäologie nichts mit Zufall zu tun hat und was die Begriffe „Planum“, „Profil“, „Artefakt“ oder „Befund“ bedeuten, wissen die Kinder jetzt, nach der zweistündigen Einführung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG). Archäologin Genesis und Kerstin Spiekermann, Mitarbeiterin im HBPG, verstehen es, den Kindern die Methoden der Geschichtswissenschaft nahe zu bringen, ohne das Faszinierende dabei unter den Tisch zu kehren. „Was wurde denn in dieser Stahltruhe aufbewahrt?“, fragt der achtjährige Christoph, der immer wieder durch sein erstaunliches Geschichtswissen auffällt. Wie zu der Kriegskasse aus dem 17. Jahrhundert, die in der Ausstellung „Land und Leute“ gezeigt wird, weiß Genesis Geschichten zur Geschichte zu erzählen. Beispielsweise von dem Schwert aus dem 9. Jahrhundert, das der Schwertfeger wahrscheinlich mit „magischen Sprüchen“ belegte, um seinen Benutzer in der Schlacht zu stärken. Bei solchen Erklärungen glänzen die Kinderaugen. Das allgemeine Interesse an der Archäologie und an der regionalen Historie habe sich „auf jeden Fall durch Anregungen von außen“ gesteigert, sagt Spiekermann und meint damit auch so populärwissenschaftliche Fernsehsendungen wie „Terra X“. Seit Anfang Juni veranstaltet das HBPG nun zum zweiten Mal einen „Einsteigerkurs für Jung-Archäologen“. „Das kann man weiter ausbauen“, sagt die Museumsmitarbeiterin zuversichtlich. Mit einigen Schulen pflege man schon seit Jahren intensive und regelmäßige Kontakte. „Die siebten Klassen der Voltaire-Gesamtschule haben die Ausstellung ,Land und Leute“ begleitet“, erzählt Spiekermann. Wenn also Kinder nach einem Einführungskurs „archäologisches Blut“ geleckt haben, könnten diese ihr Interesse in laufenden Gruppen weiter verfolgen. Das neu entdeckte Interesse an der Archäologie hat aber auch andere Altersgruppen erfasst und auch die sollen vom HBPG betreut werden. „Wir planen, diese Einsteigerkurse auch für Erwachsene und die Generation 50plus anzubieten“, verrät Spiekermann. Für diese Zielgruppen müsste die Materie dann zwar wissenschaftlich vertieft, aber immer noch allgemein verständlich zugeschnitten werden. Möglich seien beispielsweise Besuche von anderen Grabungsstätten wie dem Museumsdorf Düppel. Der aktive Teil für die Teilnehmer soll aber beibehalten werden: „Die Leute sollen auch selbst vor Ort graben können“, sagt Spiekermann. Natürlich vorsichtig. Denn: „Alte Knochen zerfallen leicht zu Staub“, das weiß schon der achtjährige Christoph.

Karsten Sawalski

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