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Landeshauptstadt: Schloss Babelsberg verdoppelt

Durch den „Geyerflügel“ sollte es ab 1905 zur kronprinzlichen Residenz ausgebaut werden

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An der Ostseite von Schloss Babelsberg ist noch immer zu erkennen, dass es Anfang des 20. Jahrhunderts durch einen Anbau erweitert werden sollte. Darauf macht Leser Peter Ernst, Güterfelde, aufmerksam und schlägt das Projekt für die Reihe „Luftschlösser“ vor. In Marcus Prost, dem stellvertretenden Schlosskastellan, fanden die PNN dafür den kompetenten Gesprächspartner.

„100 Jahre Baustelle“ sagt Marcus Prost scherzhaft, als er auf die Spuren des Erweiterungsprojekts hinweist. Ab1905 war bereits ein Teil des Hanges östlich des Schlosses abgetragen worden, um Platz für den Anbau zu schaffen. Auf der Fläche stehen heute ein Hörsaalgebäude der Uni und Garagen aus der DDR-Zeit. Auch Teile der Pergola, von der Kaiser Wilhelm I. und seine Gemahlin Augusta über das Maschinenhaus bis zum Schäferberg blicken konnten, wurde damals abgerissen. An dieser Stelle sind Bäume und Sträucher aufgewachsen.

Der Historiker zeigt eine Ansicht, die das Ausmaß des Vorhabens verdeutlicht. Das Schloss hätte sich auf fast das Doppelte vergrößert. Dahinter stand der Wunsch, für das Kronprinzenpaar Wilhelm und Cecilie eine seinem Rang entsprechende repräsentative Wohnstätte zu schaffen. Wie Marcus Prost erläutert, erlebte „der Landschaftsraum um die Glienicker Lake zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine weitere Blütezeit“. Dafür nennt er die rege Bautätigkeit in der Berliner Vorstadt, die Zunahme des Verkehrs von und nach Berlin, den Bau des Teltowkanals und die Erneuerung der Glienicker Brücke als Indizien.

Diese Gegend wäre eine gute Adresse für den Thronfolger gewesen; dazu musste das seit Wilhelms I. Tod 1888 nicht mehr genutzte Schloss Babelsberg aber einen weitaus repräsentativeren Charakter erhalten. Karl Friedrich Schinkel hatte, auch aus finanziellen Gründen, 1833 - 1835 den Kernbau recht bescheiden gehalten, ohne aufwändiges Vestibül und Treppenhaus und mit kleinen einetagigen Zimmern. Der 1849 vollendete Erweiterungsbau durch Persius und Strack bot dem wilhelminischen Repräsentationsbedürfnis schon etwas mehr; zumindest der Speisesaal und der Tanzsaal sollten weiterhin genutzt werden.

Für den Erweiterungsbau legte der Potsdamer Hofbaurat Albert Geyer (1846 - 1938) im Jahr 1905 die ersten Pläne vor. Der Architekt hatte sich u. a. durch Umbauten am Berliner Stadtschloss und des alten kurfürstlichen Jagdschlosses Glienicke zur neobarocken Residenz des Prinzen Friedrich Leopold einen Namen gemacht. Auch die ab 1910 angelegten Jubiläumsterrassen in Sanssouci stammen von ihm.

Der „Geyerflügel“ von Schloss Babelsberg sollte im Hauptgeschoss die Wohnungen für Wilhelm und Cecilie aufnehmen, wozu jeweils getrennte Vorzimmer, Empfangszimmer, Wohn-, Schreib-, Ankleidezimmer, Garderobe und Bad gehörten, aber auch ein gemeinsames Schlafzimmer. Ein große Terrasse hätte den Blick auf die Glienicker Lake geöffnet. Im Untergeschoss schloss an die neue Hauptvorfahrt für die „kronprinzlichen Herrschaften“ eine aufwändig gestaltete große Eingangshalle an. Von hier führte ein repräsentavives Treppenhaus nach oben. Im Untergeschoss war das Hofmarschallamt angeordnet, Hofmarschall- und Adjutantenwohung, Räume für Bedienstete wie den Kellermeister, die Vorsteherin der Kaffeeküche, Heizer und Hausdiener. Ebenso sollten die Silber- und die Lampenkammer hier Platz finden.

Ganz neu an Geyers Entwurf war das Kellergeschoss, das es im alten Teil des Schlosses nicht gab. Neben den üblichen Keller- und Lageräumen war ein 11mal 6 m messendes Schwimmbad vorgesehen, zu dem aus der kronprinzlichen Garderobe eine Treppe hinunterführte. Dieser „Wellnessbereich“, erläutert Marcus Prost, bezeugt wie die neun Wannenbäder, 12 WC und die beiden elektrischen Personenaufzüge, dass der Erweiterungsbau komfortabel und mit der damals modernsten Haustechnik ausgestattet werden sollte. Im Obergeschoss hätte es laut Entwurf neben Wohnungen für die I. und II. Hofdamen, Jungfern- und Lakaienzimmern zahlreiche „weitere verfügbare Räume“ gegeben. Das Dach- und Dienergeschoss wurde von Trockenboden, Küche, Weißzeugkammer, Räumen für Kammerfrauen, Beschließerin, Weißzeugverwalterin und Brieffrau eingenommen. Für die Turmetagen war wie im Altbau wohl keine regelmäßige intensive Nutzung vorgesehen, schlussfolgert Prost aus seinen Recherchen.

Der groß angelegte Entwurf hätte weitgehende Eingriffe in den Schinkelschen und Strackschen „Altbau“ mit sich gebracht. Die Hauptvorfahrt auf der Nordseite wäre Zugang für Gäste und „Entree für Audienzen“ geworden, die südliche Eingang für die Hofangestellten. Das Schinkelsche Vestibül wäre verschwunden. Die ehemalige Wohnung der Kronprinzessin Victoria sollte für Gästezimmer genutzt werden. Vor allem aber hätten die Räume der Kaiserin Augusta im Hauptgeschoss dem neuen Treppenhaus und im Obergeschoss bis auf das Schlafzimmer dem neuen Hauptkorridor weichen müssen, der sich Richtung Schäferberg in den Neubau durchzog.

Doch der Geyerflügel blieb ein Luftschloss. Die Pläne wurden, vor allem wohl wegen der hohen Kosten, aufgegeben und die bereits begonnenen Bauvorarbeiten eingestellt. Das Kronprinzenpaar sollte nun im Neuen Garten einen repräsentativen Wohnsitz erhalten. Auch dafür legte Albert Geyer 1912 einen Entwurf vor, gebaut wurde dann aber durch seinen Kollegen und Konkurrenten Paul Schultze-Naumburg Schloss Cecilienhof. Im Schloss Babelsberg, seit Jahren geschlossen, öffnet die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten während der Ausstellung „Marmor, Stein und Eisen bricht – die Kunst zu bewahren“ vom 25. Juni - 17. September einige Räume für das Publikum. Darin werden die Geschichte des Hauses sowie erste Ergebnisse und Aufgaben der Restaurierung dargestellt.

Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.

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