Landeshauptstadt: Schlosskoalition bröckelt
Auf dem Weg zum Stadtschloss-Landtag am Alten Markt schlägt sich Scharfenberg auf die Seite Speers
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Innenstadt - Die Potsdamer Schlosskoalition bröckelt. Wurde dem Wiederaufbau des Stadtschlosses am Alten Markt einst mit den Stimmen der SPD, CDU und Bündnis 90/Grüne befürwortet, drohen den Sozialdemokraten nun kurz vor der Auslegung des Bebauungsplanes die Partner abhanden zu kommen. Denn der Bebauungsplan sieht vor, dass der Landtag nicht hundertprozentig den Grundriss des Originals von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff haben muss. Am Wochenende kündigte nun Brandenburgs Finanzminister Rainer Speer, zugleich Vorsitzender des Potsdamer SPD-Unterbezirks, in einem Beitrag für diese Zeitung an: Würden die Stadtverordneten diesen Bebauungsplan-Vorschlag nicht unverändert befürworten, werde er dem Landtag anraten, das Projekt Neubau am Alten Markt nicht weiter zu verfolgen.
In einer gestrigen Reaktion auf die Ankündigung Speers bezeichnete Saskia Hüneke (Bündnis 90/Die Grünen) die Vorgehensweise des Ministers als „erpresserischen Druck“. Dies sei ein schlechtes Mittel, „um freie Stadtverordnete zu gewinnen“. In ihrer Erklärung bemängelt die hauptberuflich als Kustodin bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Angestellte die bislang unzureichende Einbeziehung der Stadtverordneten in den Prozess des Landtagsneubaus: Im Herbst 2005 habe das Land ohne Ausschreibung und öffentliche Diskussion der Prämissen eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Im Mai habe der Baubeirat des Landtags dem Beirat Potsdamer Mitte die Gesprächsbereitschaft aufgekündigt. Und zuletzt sei der Kooperationsvertrag zwischen Stadt und Land den Stadtverordneten „endverhandelt vorgelegt worden“.
Saskia Hüneke verweist in ihrer Argumentation für die historischen Grundlinien der Fassade auf die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie aus dem Februar 2006, nach denen die Funktionen eines neuen Landtages in die Kubatur des Stadtschlosses passen würden. Es sei auch „die Aufnahme der äußeren Grundrisskanten des ehemaligen Stadtschlosses sowie Einhaltung der historischen Traufhöhe“ empfohlen worden. Der CDU-Fraktionschef Steeven Bretz sagte gestern, das Schloss sollte in den Grundzügen erkennbar sein – jedoch „unter Berücksichtigung der Machbarkeit“. In den kommenden Tagen wolle sich die Fraktion eine Position erarbeiten und dann „einheitlich auftreten“. In der CDU-Fraktion sitzen Befürworter des historischen Schlossensembles von Knobelsdorff, die gerne dessen Wiederaufbau sehen würden.
Rückendeckung in seiner Position bekam Speer gestern ausgerechnet von Landtagsschloss-Gegner Hans-Jürgen Scharfenberg. Der Landtagsabgeordnete und Fraktionschef der Potsdamer Linkspartei.PDS sagte, der Landtagsneubau sei kein Vehikel für den Wiederaufbau des Stadtschlosses. Es ginge vielmehr um ein „Haus der Demokratie“, in dem der Landtag optimal arbeiten könne. Er sieht in der Vorlage der Verwaltung „Spielraum für den Landtagsneubau“. Es werde aber keinen hässlichen funktionalen Klotz geben.
Die Stadtverwaltung bringt morgen einen Antrag zur Auslegung des Bebauungsplanes in die Stadtverordnetenversammlung ein, der für den nördlichen Teil des Landtages Baulinien, für den südlichen Teil jedoch Baugrenzen vorsieht. Baulinien beschreiben den zulässigen Verlauf der Fassaden, Baugrenzen legen lediglich den Bereich fest, in dem gebaut werden darf. Laut Verwaltung werde „auch dadurch der Bau des Landtages in den Umrissen des historischen Baukörpers ermöglicht“. Die SPD-Fraktion war daher zuletzt auf Tingeltour durch die einzelnen Fraktionen, um Mehrheiten für diese Variante zu besorgen. Das Land als Bauherr will bis Ende 2010 für mehr als 80 Millionen Euro ein Landtagsneubau an Stelle des Stadtschlosses erstellen lassen und den Sitz auf dem Brauhausberg aufgeben.
Die archäologischen Grabungen am Landtagsstandort haben unterdessen gestern begonnen. Für etwa 2,5 Millionen Euro wird nun zwei Jahre lang gegraben, um die Geschichte des historischen Ortes zu sichern. Jan Brunzlow
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