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Macht bald zu. Die Fleischerei Mai in der Babelsberger Großbeerenstraße.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Schluss statt Sanierung

Traditionsgeschäft „Fleischerei Mai“ in der Großbeerenstraße schließt Ende Juni

Stand:

Hier geht es um die Wurst – und für Carsten Mißbach sogar um die berufliche Existenz. Der Fleischermeister betreibt seit knapp zehn Jahren die Fleischerei Mai in der Großbeerenstraße 87. Doch bereits in einem Monat wird hier in seinem Geschäft die letzte Wurst über die Ladentheke gehen, das letzte Stückchen Fleisch seinen Käufer finden. Am 30. Juni schließt Mißbach seine Fleischerei, und zwar für immer. Einen Tag später, am 1. Juli, hätte er sein zehnjähriges Jubiläum.

Eigentlich ist der Fleischermeister mit seinen 43 Jahren im besten Alter, um noch etliche Tausend Koteletts, Rouladen und Leberwürste unter das Volk zu bringen. Auch mit seinem Ladenvermieter, der die Fleischerei früher selbst führte und der zugleich Mißbachs Ex-Schwiegervater ist, bestehe „gutes Einvernehmen“, versichert der heutige Chef. Der kalte Wind, der Mißbach zum Aufgeben zwingt, weht dem Handwerksmeister von anderer Stelle entgegen: Das Potsdamer Lebensmittelüberwachungsamt verlangt von dem Unternehmer kostspielige Modernisierungen seiner Produktionsräume.

Mißbach steht im Hof seiner Fleischerei und zeigt auf die Elektroleitungen, die an der Wand verlaufen. Die müsste er erneuern, sagt der Noch-Unternehmer. Und dann macht er mit beiden Händen die berühmte Bewegung, mit der man andeutet, dass die Hosentaschen leer sind. Was die Hygienekontrolleure an Bauarbeiten verlangen, kann Mißbach nicht bezahlen. Und auch sein Vermieter ist nicht willens oder in der Lage, die nötige Summe zu investieren, sagt der Fleischermeister.

Die Elektroleitungen sind allerdings laut Mißbach auch nicht der einzige Schwachpunkt, der die Reinlichkeitswächter vom Amt auf den Plan gerufen hat. Über die Jahre hinweg habe Wasser wohl dem Mauerwerk seiner Produktionsräume zugesetzt. Neue Fliesen sowie neue Wasserrohre müssten her, dazu die Elektroleitungen unter Putz – ein paar Zehntausend Euro würde das kosten, schätzt der Unternehmer. Käme er diesen Auflagen des Amtes nach, könnte er sein Geschäft weiter betreiben. So aber, da Mißbach es sich finanziell nicht leisten kann, den Charme vergangener Jahrzehnte aus seinen Produktionsräumen zu verbannen und die baulichen Macken des Hauses zu beheben, sind die Tage der Fleischerei Mai gezählt.

Im März noch sei er frisch erholt aus dem Urlaub gekommen, berichtet Mißbach und erklärt zugleich, wie dicht beieinander Freud und Leid liegen können. „Dienstag war alles noch schick und Mittwoch kam sie dann.“ „Sie“ – das ist die Kontrolleurin vom Amt. An diesem Märzentag gab sie die Devise aus, die von Stund an für die Fleischerei galt: instand setzen oder schließen. Ein wenig klingt das wie „Geld oder Leben“. Und vielleicht hat es Mißbach ja im ersten Moment auch so empfunden. Schließlich hängt seine berufliche Existenz von diesen Räumen ab. Doch so ganz ohne Ansage schlug die Amtspeitsche nicht auf den Fleischermeister ein. Schon vor fünf oder sechs Jahren hätten die Kontrolleure erste Beanstandungen geäußert, sagt Mißbach.

Nun ist es vorbei mit der behördlichen Nachsicht. Die Gnadenfrist läuft am 30. Juni ab. Danach werde man mit der Keule des Gesetzes zuschlagen, machte das Amt deutlich und zelebrierte vor Mißbach sogleich den Bußgeldkatalog: Hier 500 Euro, da 1000 Euro – die Verstöße und ihre Preise habe man ihm schon einmal vorgerechnet, berichtet der Fleischermeister. Allerdings, auch wenn er nicht saniere, müsse er aus Sicht des Amtes den Laden nicht komplett schließen. Den Partyservice, auch den Mittagstisch und im Prinzip sogar den Fleisch- und Wurstverkauf dürfe er weiterführen, erklärt Mißbach. Nur die Bereitung von Fleisch und Wurst sei vom Verbot betroffen. Doch gerade die ist das Herzstück der Fleischerei Mai. Theoretisch könne man zwar alle Waren auch fertig von woanders her beziehen, um sie im Geschäft dann nur noch zu verkaufen, doch das komme für ihn nicht infrage, sagt Mißbach. Bei ihm kämen die angebotenen Fleischwaren und die Wurst aus eigener Produktion – „bis auf zwei oder drei Sachen“. Bier- und Kochschinken seien die Renner. Für seinen Mittagstisch biete er Hausmannskost an.

Mißbach und seine Lebensgefährtin, die bei ihm hinter der Ladentheke steht, sowie ein weiterer Mitarbeiter werden sich beruflich neu orientieren müssen. „Ich finde was – das ist kein Problem“, sagt Mißbach. Die Selbstständigkeit möchte er aufgeben, nicht jedoch seinen Beruf an den Nagel hängen. Als Fleischer „irgendwo unterkommen“, das schwebt ihm vor.

Auch seine Wohnung gleich über dem Geschäft will Mißbach kündigen, um nicht immer an die „schöne Zeit“, wie er sagt, erinnert zu werden. Was sein Vermieter mit dem Anwesen machen wird, wisse er nicht, so Mißbach. Vielleicht zieht unten im Laden ja eines Tages wieder eine Kneipe ein, wie es sie dort schon einmal gegeben hat. Laut Mißbach nannte man diesen Hort des kleinen Glücks und des versoffenen Geldes einst „Leichenkeller“. Holger Catenhusen

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