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Unauffällig. Nichts weist auf den Wunderkind-Schlussverkauf hin.

© Andreas Klaer

Von Jana Haase: Schnäppchenjagd im Kleider-Lager Die Zukunft von Joops „Wunderkind“ ist weiter unklar – seit gestern

lädt das Luxuslabel zum Schlussverkauf ein

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Innenstadt - Zugegeben, die Räume sind nicht leicht zu finden. Und trotzdem sind Punkt zehn schon die ersten da. Extravagant gekleidete Damen mit ihren gertenschlanken Töchtern, Frauen, die ihren Hund in der violettfarbenen Handtasche mitgebracht haben, und solche, die das vornehme Understatement zur modischen Devise erklärt und wahrscheinlich ein Vermögen allein ins dezente Makeup investiert haben. Dass sich jemand zufällig in den Ziegelstein-Flachbau in der Telekom-City in der Behlertstraße verirrt hat, darf ausgeschlossen werden. Noch bis zum morgigen Samstag verkauft das Luxuslabel „Wunderkind“ hier die eigensinnig-eleganten Kleider, Blazer, Blusen, Schuhe, Handtaschen, Gürtel und Armreifen des Potsdamer Modeschöpfers Wolfgang Joop zum Schnäppchenpreis – alles ist um 70 Prozent preisgesenkt.

Es sei nicht der Ausverkauf der Luxusmarke, betont Wunderkind-Geschäftsführer Markus Hennig gegenüber den PNN. Das krisengeschüttelte Unternehmen hatte in den vergangenen Wochen immer wieder Schlagzeilen gemacht, nachdem bekannt wurde, dass sich das Investoren-Ehepaar Gisa und Hans-Joachim Sander aus der Firma zurückzieht (PNN berichteten). Wer den 65-Prozent-Anteil der Sanders übernehmen wird, war indes auch gestern noch unklar. Hennig rechnet in dieser Woche mit einer Klärung. Joop hatte zuvor angekündigt, die Anteile aus seinem Privatvermögen selbst zurückkaufen zu wollen – nach PNN-Informationen sind jedoch bereits mehrere entsprechende Notartermine verschoben worden. Auch den seit Wochen angekündigten neuen Investor hat Joop bisher nicht präsentieren können.

Wie es weitergehen soll mit der Firma und den Angestellten, ob das Modehaus in Zukunft eine neue Strategie mit mehr Kundennähe verfolgt – dazu könne er derzeit nichts sagen, erklärt Hennig: „Wir befinden uns in der laufenden Restrukturierung des Unternehmens.“

Im Wunderkind-Lager in der Behlertstraße sind diese Sorgen kein Thema. Die Regale voller Aktenordner in den Fluren sind mit schwarzem Stoff verhängt, aus den Radiolautsprechern ertönt das Programm des Senders Funkhaus Europa, international wie die Kundinnen, die deutsch oder russisch sprechen, und genau überlegen, was sie wo tragen können: „Ich kaufe nur noch, was ich in Panasien anziehen kann“, sagt eine.

In drei Büroräumen stapeln sich Kisten mit Taschen oder Pullovern, stehen Dutzende von Kleiderstangen mit der teuren Ware, ausgeschildert sind die Originalpreise: ein zartes Kleid in blau-weißem Karostoff für 1460 Euro, ein schwarzer Blazer für 1348 Euro, die Bluse für 375 Euro, ein Lederarmreif für 243 Euro. Selbst mit 70 Prozent Rabatt landet man bei stolzen Preisen. „Der Trick ist, die ersten beiden Ziffern mal drei zu nehmen“, erklärt eine Frau, die den Ärger über ihre teure Handtasche, die sie hier zum Rabattpreis wiedergefunden hat, lächelnd herunterschluckt. Eine andere balanciert einen Berg mit ausgesuchten Stücken in Richtung Umkleide, wieder andere probieren die Blusen gleich vor der Stange.

Das „Sonderprogramm von Altkollektionen“ wird noch bis morgen – zusätzlich zum turnusmäßigen Saisonschlussverkauf – von 10 bis 18 Uhr in der Behlertstraße 3, Haus 2c, angeboten, erklärt Hennig. Der permanente Lagerverkauf bleibe auch danach geöffnet. Der als „Special Sale“ in den Berliner Tageszeitungen angekündigte aktuelle Termin soll ein „Geheimtipp für Interessierte“ sein.

In der Tat kennt sich aus, wer hier die Kleiderstangen mustert, fachmännisch werden die Preise mit anderen Angeboten verglichen: „Die kostet bei Vintage in der Tucholsky-Straße 150, ich schwör’s.“ Am Fenster, vor den Hosen, schüttelt eine Dame traurig den Kopf. „Das ist alles nicht mein Ding“, sagt sie und dankt der Verkäuferin für die Hilfe: „Sehr schade, ich bin kein Wunderkind.“ (mit pet)

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