Landeshauptstadt: Schnell, langsam, schnell
Warum ein Trompetenkonzert aus Potsdam in Brasilien seine Uraufführung erlebte
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Der Jetlag macht ihm noch zu schaffen, sagt Gisbert Näther. Der Potsdamer Musiker und Komponist ist seit zwei Tagen zurück aus Brasilien – nach einer aufregenden Woche voller Proben und Konzerte, darunter die Uraufführung seines Trompetenkonzerts. „Das nächste Mal bleibe ich länger“, sagt Näther. „Brasilien ist ein wunderbares Land.“
Seit einigen Jahren sind Potsdam und Brasilien musikalisch verbandelt. Knut Andreas, Dirigent und künstlerischer Leiter des Collegium Musicum, zieht es mittlerweile fast jährlich in die Region um São Paulo. Dort unterrichtet er, arbeitet als Dirigent, organisiert den Austausch von Gastmusikern und Dirigenten zwischen beiden Ländern. Auch der brasilianische Trompetensolist Paulo Ronqui, Professor für Trompete an der Universität Campinas, war einst in Potsdam zu Besuch und lernte die Musik Gisbert Näthers kennen. „Und dann wollte er, dass ich ein Trompetenkonzert für ihn komponiere, in klassischer Form, drei Sätze, schnell, langsam, schnell“, sagt Näther.
Uraufgeführt werden sollte das Werk in Brasilien – vom Sinfonieorchester von Campinas. Näther ist begeistert, dass die europäische, klassische Musik dort einen so hohen Stellenwert besitzt. Wer in Brasilien eine musikalische Laufbahn einschlägt, der geht meist für einige Jahre ins europäische Ausland. Und deutsche Kollegen wie Knut Andreas sind dort gern gesehene Gastdozenten. Auch Gisbert Näther hielt vorige Woche vor Musikstudenten einen Vortrag über Neoklassizismus in der Komposition, Kollege Andreas übersetzte. „Die Brasilianer freuen sich immer über Input aus Europa.“
Näther, 66 Jahre alt, studierte an der Musikhochschule „Carl Maria von Weber“ in Dresden Horn und Komposition. Er spielte in mehreren Orchestern, in Potsdam am Ensemble des Hans Otto Theaters, bis heute beim Filmorchester Babelsberg, jetzt im Ruhestand nur noch als Aushilfe. Bekannt ist Näther vor allem für seine Kompositionen – moderne Stücke, Musik für Kinder. Außerdem engagiert er sich für das jährlich in Potsdam stattfindende Festival „Intersonanzen“, bei dem Neue Musik vorgestellt wird.
Nun hat er mehr Zeit zum Komponieren – und für Reisen. Dass sein Trompetenkonzert nun zuerst im Ausland aufgeführt wird, findet er nicht problematisch. „Paulo Ronqui darf und soll es spielen, wer weiß, wann wir es hier in Potsdam aufführen können“, sagt Näther. In Brasilien begleitete er die letzten Orchesterproben. Die erste Aufführung sei purer Nervenkitzel gewesen, alles sei gutgegangen. „Sie haben mit Begeisterung gespielt“, sagt der Komponist. In der Regel genießen brasilianische Musiker hohes Ansehen und würden anständig bezahlt. Auch die Resonanz der Zuschauer war sehr positiv – zweimal ein voller Konzertsaal mit Standing Ovations.
Gewöhnen musste sich Näther an die entspannte Disziplin, daran, dass Proben nie pünktlich beginnen. Doch in Brasilien ist gerade Frühling, Temperaturen von 20 bis 35 Grad, eine üppige Vegetation. Das entschädigte für eventuellen Stress. Die traditionelle Musik der Brasilianer – Gitarren, Akkordeon – begeisterte Näther. Die Brasilianer indes waren erfreut, im Trompetenkonzert einen landestypischen Rhythmus entdeckt zu haben. „Das war mir gar nicht bewusst“, amüsiert er sich. Mit dem Aufführungsergebnis war er zufrieden. Es sei durchaus ein schweres Stück – dem Solisten auf den Leib geschrieben. „Der kann das“, sagt Näther.
Näther komponiert bereits wieder. Zunächst entstehen Skizzen, dann wird am Computer alles zusammengesetzt. Es gebe Programme, mit denen ganze Orchesterpartituren geschrieben werden können. „Man hört den Ton, den man eingibt und weiß, das könnte funktionieren“, sagt er begeistert. Als Nächstes ist ein Stabat Mater dran, für die Singakademie Potsdam, in einem Jahr soll es fertig sein. Das wäre die nächste Uraufführung einer Näther-Komposition. Der deutsch-brasilianische Austausch wird bereits im kommenden November fortgesetzt: Ein Dirigent aus Brasilien wird in Potsdam Konzerte leiten. Steffi Pyanoe
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