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Reformerin. Renée Pratt.

© Andreas Klaer

Homepage: Schneller das Richtige tun

Die Gastwissenschaftlerin Renée Pratt forscht bis Mai 2013 an der Universität Potsdam. Sie untersucht, wie der Einsatz elektronischer Patientenakten die medizinische Versorgung optimieren kann

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Ein krebskranker Diabetiker bricht auf der Straße zusammen, wird ins nächste Krankenhaus gebracht und dort behandelt. Sofort tauchen Fragen auf: In welcher Abteilung ist der Kranke am besten aufgehoben? Tauschen sich die zuständigen Ärzte der unterschiedlichen Fachrichtungen genügend über ihn aus? Schließlich sind die Spezialisten oft genug nicht nur gedanklich, sondern auch räumlich voneinander getrennt. „Der Einsatz elektronischer Patientenakten hilft in so einem Fall Ärzten und Patienten“, sagt Renée Pratt. Die 36-jährige Wirtschaftsinformatikerin aus den USA ist für vier Monate als Fulbright-Stipendiatin zu Gast an der Universität Potsdam.

Die Grenzen und Einsatzmöglichkeiten elektronischer Patientenakten in medizinischen Einrichtungen beschäftigen die Assistenzprofessorin im Bereich Betriebswirtschaft der Washington and Lee University in Lexington (Virginia) schon seit einigen Jahren. „Das US-amerikanische Gesundheitswesen ist ein riesiger Wirtschaftssektor“, erklärt Pratt. „Bis 2015 sollen die elektronischen Patientenakten per Gesetz eingeführt worden sein.“ Da die Implementierung Millionen Dollar koste, lohne es sich, genau zu gucken, ob und wie sie funktionieren. „In Deutschland ist man da viel weiter als in den USA“, sagt die Forscherin.

Als Anschauungsobjekte dienen ihr das Potsdamer Ernst von Bergmann-Klinikum, in dem elektronische Patientenakten bereits genutzt werden, und die Berliner Charité, die das System in der Anästhesie und auf der Intensivstation einführt. „Pfiffige Kliniken haben erkannt, dass sich die Zusammenführung der Daten lohnt“, sagt Norbert Gronau, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Electronic Government an der Uni Potsdam. Gronau und Pratt lernten sich auf Jahrestagungen der Wirtschaftsinformatiker kennen und tauschen sich seitdem über elektronische Anwendungssysteme aus.

„Bis ein elektronisches Anwendungssystem eingeführt ist und nahezu reibungslos funktioniert, können bis zu zwei Jahre vergehen“, so Pratts Beobachtung. Derzeit verbringt sie mindestens drei Tage pro Woche in den Krankenhäusern und nimmt regelmäßig an den Besprechungen der Klinikmitarbeiter teil. Schwierigkeiten könne es sowohl bei der Technologie als auch bei den Menschen geben. Datenschutzrechtliche Bedenken würden jedoch eher von den Medizinern als von den Patienten geäußert. Die elektronische Gesundheitskarte mache vieles leichter: „Ihre Daten bieten die Infrastruktur für weitere Systeme“, erklärt Pratt.

Die größten Widerstände gebe es aufseiten der Anwender. Gerade ältere Ärzte fremdelten mit der Technik und scheuten die sofort anfallende zusätzliche Arbeitsbelastung. „Die Ärzte nehmen Tablet-Computer mit auf Visite und müssen die Angaben zu den Patienten sofort aktualisieren“, sagt Pratt. Die menschliche Seite dürfe angesichts der Technik natürlich nicht zu kurz kommen. In den USA sei es Bestandteil der Mediziner-Ausbildung, dass der Blick auf den Patienten nicht unter dem Blick auf den Computer leiden dürfe.

Renée Pratt ist der Meinung, dass elektronische Patientenakten Kostenersparnis und Patientenwohl miteinander verbinden. Ärzten werde geholfen, den Überblick zu behalten – sowohl bei der Diagnose als auch beim Anordnen von Therapien und beim Verschreiben von Medikamenten. Dass die Charité die Anwendungssysteme als Erstes in der Anästhesie und in der Intensivpflege einführt, sei kein Zufall. In schwierigen Situationen helfen die umfassenden Daten, schneller das Richtige zu tun. „Die Transparenz steigt und davon profitieren letztlich alle.“ Maren Herbst

Maren Herbst

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