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Homepage: Schnörkellos und klassisch

Martin Heß hat an der FH Restaurierung studiert. Nun hat er sich als Restaurator und Möbeldesigner selbstständig gemacht

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Die Zweifel konnte er nicht unterdrücken, sie waren da, setzten sich in seinen Gedanken fest, stellten alles bislang Erreichte in Frage. Das soll wirklich alles gewesen sein? Für Martin Heß gab es auf diese Frage nur eine Antwort: Nein. Also schmiss er seinen Job als Tischler und entschied sich für einen kompletten Neuanfang. Dieser begann für ihn 1998 – mit einem Studium der Restaurierung an der Fachhochschule Potsdam. Mittlerweile hat sich Heß als Restaurator und Möbeldesigner selbstständig gemacht.

„Ich fand es schon immer spannend, mich mit der Historie und Kunstfertigkeit der Restauration zu befassen“, sagt Martin Heß. Der groß gewachsene schlaksige Mann sitzt im Büro seiner Werkstatt auf dem Künstlerhof in Berlin-Buch, vor ihm auf dem Schreibtisch liegen Zeichnungen und Designskizzen für anstehende Auftragsarbeiten, daneben steht ein Becher Kaffee. Während über dem Gelände des wild bewachsenen Künstlerhofes eine romantische Idylle liegt, regiert in den ansässigen Ateliers und Werkstätten das kreative Chaos. Mittendrin rekonstruieren Martin Heß und sein Kompagnon Damian Jankowski im Auftrag der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz einen Intarsienfußboden für die „Villa Hamilton“, die zum Wörlitzer Schloss gehört.

Seit Mai dieses Jahres arbeitet der 33-Jährige an den aufwändig gemusterten Böden für zwei der Villenräume. Er fertigt dafür einen Aufriss an, bestimmt anhand von Originalstücken die verwendeten Holzarten und setzt sie zu einzelnen Platten zusammen. Einmal im Monat fährt er mit Mustertafeln nach Wörlitz, um seine Auftraggeber über den Stand der Arbeiten zu informieren. Wenn alle Platten fertig sind, sollen sie vor Ort ähnlich wie Laminat verlegt und abschließend lackiert werden. Feinarbeit im Dienste der Geschichte, Momente der Ehrfurcht inklusive.

Es mag vielleicht verwundern, dass die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz einen so großen und wichtigen Auftrag an einen vergleichsweise jungen Restaurator vergeben hat und nicht an einen langjährig erfahrenen Fachmann. Denn die Wörlitzer Schlossanlage gilt als erster klassizistischer Bau auf deutschem Boden und ist von der Unesco vor sechs Jahren zum Weltkulturerbe erklärt worden. Ein Blick auf die bisherige Referenzliste von Heß überzeugt jedoch auch die letzten Skeptiker: Für die Dauerausstellung des Köpenicker Schlosses in Berlin restaurierte er bereits zuvor eine italienische Renaissance-Truhe aus dem 15. Jahrhundert sowie Reliefintarsien nach Rubensstichen. Zudem absolvierte er während seines Studiums ein sechsmonatiges Praktikum in einer renommierten privaten Restaurierungswerkstatt in New York, zu deren Kunden unter anderem das Metropolitan Museum of Modern Art oder das Chicago Art Institute gehören.

Der Aufenthalt in New York habe ihn stark geprägt, sagt Martin Heß, der in Dessau geboren und aufgewachsen ist. „Das urbane Leben hat auf mich eine starke Faszination ausgeübt.“ Auch deshalb zog es ihn nach Beendigung seines Studiums im Jahr 2004 erneut dorthin – bis zum Sommer vergangenen Jahres. In der Zeit arbeitete er erneut für besagte Restaurierungswerkstatt und entwarf nebenbei auch erste eigene Möbel. Sein Fazit nach der Auslandserfahrung: „In den USA sind die Menschen spontaner und halten sich an Zusagen. Ihre Bereitschaft, für eine Dienstleistung Geld auszugeben, ist deutlich höher als hier in Deutschland.“

An seinem Beruf fasziniere ihn vor allem das Zusammenspiel künstlerischer und handwerklicher Fähigkeiten, sagt Martin Heß. Deshalb war für ihn nach seiner Rückkehr aus den USA klar, dass er sich selbstständig machen müsse. Nur so könne er die eigene Kreativität ausleben. Neben Restaurierungsaufträgen realisiert er in seiner Werkstatt nun auch eigene Möbelentwürfe. Sein Stil? „Ich möchte eine eigene Formsprache entwickeln auf Grundlage historischer Vorbilder.“ Seine Möbel sind daher schnörkellos und klassisch, offenbaren aber bei genauerem Hinsehen kleine aufwändige Details und die Verwendung exklusiver Holzarten. In seiner Wohnung im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg dominiert jedoch ein Stilmix aus Ikea-Regalen und Retro-Sitzmöbeln die Einrichtung. „Ich will nicht ständig mit meiner Arbeit konfrontiert werden, ich muss auch mal abschalten können“, sagt Heß, der in seiner wenigen Freizeit gern zum Entspannen nach Südeuropa reist.

Natürlich ist es schwer für einen selbstständigen Restaurator und Möbeldesigner, beruflich Fuß zu fassen. Gerade in der Anfangszeit nach seiner Rückkehr, als Heß Werkstatträume suchte und Kundenakquise betrieb, schien es ihm manchmal hoffnungslos. „Langsam entwickeln sich die Dinge aber“, sagt er. So steht als nächstes der Ausbau eines Segelbootes an. Zuvor muss Martin Heß allerdings die Arbeiten an dem Intarsienfußboden abschließen. Das Ergebnis dieser Arbeit können Interessierte im Rahmen eines Atelierempfangs am 28. und 29. Oktober im Künstlerhof Berlin-Buch (14 und 18 Uhr) begutachten. Zu dieser Gelegenheit zeigt Heß den Boden erstmals ausgelegt. Die Zweifel, die ihn dann womöglich noch plagen werden, dürften wohl eher künstlerischer als existenzieller Natur sein.

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