Landeshauptstadt: Schokolade auf dem Weg zum goldenen Kreuz
Nur etwa drei Prozent der Bevölkerung spenden Blut. Es sollen mehr werden, damit es auch in Zukunft reicht
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Von links nach rechts wogt die rote Flüssigkeit im Beutel. Sie kommt durch einen dünnen Plastikschlauch aus einem grauen Apparat. Daran hängen noch mehr Schläuche, in der Mitte dreht sich ein Behälter. Darüber sieht es nach medizinischer Hochtechnologie aus. Ein Display zeigt an, wie viel Flüssigkeit der Apparat abpumpen soll: 500 Milliliter.
Die rote Flüssigkeit im Beutel ist das Blut von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). An seinem linken Arm ist das andere Ende des Plastikschlauchs mit einer Kanüle angeschlossen. Der Regierungschef ist auf der Liege im Institut für Transfusionsmedizin des Deutschen Roten Kreuzes bester Laune. „Legen Sie sich doch auch mal hin. Wenn Sie noch spenden, reichen die Konserven länger“, scherzt er mit den Umstehenden.
Platzeck ist die Situation auf der Liege gewöhnt. Gestern spendete er bereits zum 42. Mal Blut. Damit gehört er zu den etwa drei Prozent der Bevölkerung in Deutschland, die regelmäßig Blut spenden. „Mein Ziel ist die 50. Spende“, sagt er. Dann bekommt er vom DRK das goldene Kreuz für Blutspender. Im Schnitt lässt sich der Ministerpräsident drei Mal im Jahr zur Ader. „Mir tut das gut. Und außerdem ist es gut zu wissen, dass man anderen Menschen damit helfen kann“, erzählt er, während er mit der linken Hand immer wieder einen kleinen, roten Gummiball zusammendrückt. Das macht er, damit das Blut in der Vene weiter fließt. Dann piept der graue Apparat. Die Spende ist fertig. Nur knapp zehn Minuten hat es gedauert, dann nimmt Platzeck noch einen Schluck Wasser und steigt von der Liege.
Nachdem Beutel und Schläuche gewechselt sind, wird sein Platz kurz darauf vom nächsten Spender eingenommen. Das DRK-Institut in der Potsdamer Hebbelstraße 1 kann sich an diesem Tag nicht über mangelnde Spendenbereitschaft beklagen. „Durch die zurückliegende Ehec-Epidemie ist das Thema Blutspende für viele noch präsent“, weiß Roland Karl, Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin. Die Sommermonate seien sonst eine kritische Zeit. Viele regelmäßige Spender sind im Urlaub. Andere können kein Blut spenden, weil sie bei heißem Wetter selbst Kreislaufprobleme haben. Ähnlich schwierig ist es, wenn an den Weihnachtsfeiertagen nicht gespendet wird.
In diesem Sommer ist das Wetter augenscheinlich kein Problem. Von den 25 Liegen im verklinkerten Neubau am Gelände des Klinikums „Ernst von Bergmann“ sind gut die Hälfte belegt. Manche Spender lesen, andere schauen auf einen der drei Flachbildschirme unter der Decke, auf denen das Programm eines Nachrichtensenders gezeigt wird. In ein paar Wochen soll sich, wer möchte, auch aktiv medial vernetzen können: Der Blutspendedienst hat sechs iPads angeschafft. Wenn die nötigen Halterungen angebracht sind, können die Spender einhändig im Internet surfen.
Das momentan gute Spendenaufkommen ist für Karl kein Grund zum Ausruhen. Eine Vollblutspende ist höchstens 42 Tage haltbar. Ein längerfristiger Vorrat kann also nicht angelegt werden. „Es gibt kein künstliches Blut“, sagt er, deshalb brauchen wir immer wieder neue Spenden. Engpässe können in kommenden Jahren häufiger vorkommen. Weil der Anteil der Älteren in der Bevölkerung wächst, kommen weniger Menschen als Spender in Frage. Gleichzeitig steigt der Bedarf in der Krebstherapie oder bei Operationen. Zwei Drittel der Bevölkerung ist zu jung oder zu alt zum Spenden oder aus gesundheitlichen Gründen ungeeignet. Vom restlichen Drittel spendet etwa jeder Zehnte. „Da haben wir noch Reserven. Aber das müssen mehr Spender werden“, wünscht sich Karl.
Jeder Spender geht im Institut für Transfusionsmedizin den gleichen Weg. Erst füllt er einen Fragebogen aus, dann wird vom Arzt Blutdruck, Puls, Temperatur und die roten Blutkörperchen gemessen. Ist alles in Ordnung, kann er auf einer der Liegen Platz nehmen. Vollblutspenden wie bei Matthias Platzeck gehen am schnellsten. Sie dauern zwischen acht und zwölf Minuten. Eine Spende des flüssigen Blutplasmas dauert etwa 45 Minuten. Wer Thrombozyten (Blutplättchen) oder Erythrozyten (rote Blutkörperchen) spendet, kann sich etwas mehr Lesestoff mitnehmen: Diese festen Blutbestandteile werden von einer Zentrifuge aus dem abgenommenen Blut herausgeschleudert, den flüssigen Teil bekommt der Spender zurück. Das ganze wiederholt sich mehrmals und dauert ein bis zwei Stunden. Das in Potsdam gespendete Blut wird am selben Tag noch in die Zentrale des DRK-Blutspendedienstes Ost nach Dresden gebracht. Dieser sammelt in Brandenburg, Berlin und Sachsen die Blutspenden. In Dresden werden die Spenden weiter verarbeitet. Jeden Tag sind das etwa 1500 Blutkonserven. Die Brandenburger Spenden kommen dann wieder zurück und werden in Depots an den großen Kliniken aufbewahrt.
Spender bekommen als Dankeschön vom DRK derzeit einen Einkaufskorb. Außerdem können sie sich einen Snack einpacken. Matthias Platzeck nahm fünf Tafeln einer quadratischen Schokolade.
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