Homepage: Schon vor 200 Jahren wollte Potsdam Kulturhauptstadt sein
Die gescheiterte Etablierung der Aufklärung am Hofe / Eine Tagung
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Die gescheiterte Etablierung der Aufklärung am Hofe / Eine Tagung Von Lene Zade Was genau ist eine Kulturhauptstadt? Sind politische Hauptstädte kulturlos oder im Gegenteil besonders geeignet für kulturelle Ausstrahlungskraft? Erhält den Titel europäische Kulturhauptstadt, wer als Vorbild für andere dient oder wer das Eigene als absolut singulär zu präsentieren weiß? Dieser Wettkampf mit undefinierten Regeln ist nicht neu. Wie eine Internationale Tagung des Forschungszentrums für Europäische Aufklärung Potsdam (FEA) in der vergangenen Woche bewies, rang Potsdam schon vor 200 Jahren, als aus der Hauptstadt Berlin verlagertes Machtzentrum der preußischen Könige, um die Anerkennung als kulturell bedeutender Ort in Europa. Aristokratische Höfe wetteiferten um den Ruf, der schönste, modernste und kultivierteste zu sein. Da Potsdam heute an diese Tradition anknüpfen möchte, fanden die viertägigen wissenschaftlichen Debatten im Rahmen der Bewerbung als Kulturhauptstadt 2010 statt. In seinem Eröffnungsvortrag verwies der Direktor des FEA, Günther Lottes, auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Residenzen Versailles und Potsdam. Beide seien Symbolorte des monarchischen Europas, historisch vielfach gebrochene Erinnerungsorte. Beide zeichne aus, dass sie als Zentren höfischer Kultur im 17. bzw. 18. Jahrhundert, vor den Toren der politischen Hauptstädte etabliert wurden. Aus beiden Residenzstätten wurden Kulturhauptstädte unterschiedlicher Couleur. Während Friedrich II. sich bemühte, den Absolutismus als Herrschaftsform mit der Aufklärung als Denkform in Einklang zu bringen, inszenierte Ludwig XIV. die königliche Pracht schamlos. Sie sollte dem Herrschaftskult dienen, der König ließ sich als irdischer Gott feiern und beanspruchte als solcher einen Ort für sich, eben Versailles, das weit genug vom Volk und von administrativen Apparaten entfernt war. Diese Art der Repräsentanz höfischer Kultur galt lange Zeit und weit über Frankreich hinaus als selbstverständlich. Ein französischer Philosoph wie Voltaire wurde in Versailles weder geachtet, noch zu Tisch geladen. Den Aufklärer, der durchaus nicht antimonarchisch eingestellt war, jedoch vor allem durch Tantiemen statt durch fürstliche Anerkennung reich wurde, kränkte dies. In Friedrich II. fand er seinen Ersatzkönig und den gesuchten monarchischen Respekt. Dass die Freundschaft der beiden auf einem doppelten Gegensatz beruhte, der monarchietreue bürgerliche Philosophiestar auf der einen und der zur bürgerlichen Kultur sich hingezogen fühlende Monarch auf der anderen Seite, war beiden bewusst. Zu einer Aufhebung sozialer Grenzen führte dies nicht, Voltaire blieb ein aufgeklärter Höfling. Sein Versuch, die Aufklärung am preußischen Hof als die Basis für das Regieren eines Volkes zu etablieren, scheiterte, der Absolutismus blieb. Zu ähnlichen Diagnosen kamen auch die folgenden Referenten: Jürgen Kloosterhuis, Direktor des Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, dekonstruierte das Klischee der Langen Kerls als schmucke, aber militärisch unnütze Soldatengruppe. Vielmehr baute Friedrich Wilhelm I. seine Palastgarde als Kampftruppe aus, derer sich Friedrich II. dann für seine Kriege nur noch zu bedienen brauchte. Sven Externbrink vom FEA, wies anhand der Gesandtenkorrespondenz nach, dass die Hintergründe der Potsdamer Ersetzung höfischer Repräsentation durch eine vermeintlich enthaltsame militärische Ästhetik in Frankreich sehr wohl als Aufrüstung erkannt wurde. Der Wandel vom barocken Herrscher zum aufgeklärten König markiere sich schon in dem disziplinierten Arbeitsethos Friedrich Wilhelms I., der aber weder den märkischen Adel, noch den Hof als politischen Entscheidungsapparat einband. Letztlich blieb Despotismus die Grundhaltung der preußischen Könige, was als Modell für eine Kulturhauptstadt des 21. Jahrhunderts vielleicht nicht das geeigneteste ist.
Lene Zade
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