Landeshauptstadt: Schöne große Dinger
Potsdam-Museum feierte gestern ein stimmungsvolles Kartoffelfest zugunsten der Tafel-Suppenküche
Stand:
Potsdam-Museum feierte gestern ein stimmungsvolles Kartoffelfest zugunsten der Tafel-Suppenküche Von Henri Kramer Eine panikartige Jagd nach Brot soll es in den ersten zwei Wochen nach Kriegsende gewesen sein: So steht es in den Tagebuchaufzeichnungen des Potsdamer Schriftsteller Herrmann Kassak, die Klaus Büstrin an diesem frühen Abend zu leisem Vogelgezwitscher im begrünten Hinterhof des Potsdam Museums in der Benkertstraße vorliest. Er liest aus „Dreizehn Wochen – Aufzeichnungen aus dem Jahr 1945 über das Kriegsende in Potsdam“, er liest über Not, Elend, aber auch Hoffnung auf bessere Zeiten. Er liest auch über ganz besondere Früchte der Erde. Gestern feierte das Potsdam Museum sein Kartoffelfest, als festlichen Ausklang der Sonderausstellung „Kohldampf und Bombentrichter. Potsdam 1945 – Tag um Tag“. Die Schau dauert noch bis zum 4. September. „Das Interesse ist ungebrochen, obwohl überall über das Kriegsende geredet wird“, sagt Museumsleiter Hannes Wittenberg. „Die Schau war wichtig, weil hier die Erinnerungen der Bürger der Stadt zusammengestellt sind.“ Doch an diesem Tag soll nicht die eigentliche Ausstellung im Mittelpunkt stehen. Die aromatisch duftende Kartoffelsuppe aus der Gulaschkanone von Markus Ullrich im Hof ist nicht nur dazu da, den Appetit der Gäste zu stillen: Der Erlös aus den Einnahmen von 2,50 Euro je Suppen-Plasteschüssel geht an den Verein der Potsdamer Tafel, der täglich Menschen mit einer warmen Mahlzeit versorgt, die sonst Hunger hätten. „Unser Haus hat auch nicht viel Geld“, sagt die Ausstellungs-Kuratorin Edeltraud Volkmann-Block. „Doch es ist ja immer so: Die Armen helfen den Armen, die Reichen tun sich da oft schwerer.“ Durch die Aktion kann sich die Potsdamer Tafel noch zusätzlich freuen: Nächste Woche soll Markus Ullrich mit seiner „Kartoffelsuppen“-Kanone in der Suppenküche in der Lindenstraße vorbeikommen und den Inhalt verteilen. „Auch 60 Jahre nach dem Krieg geht es den Leuten nicht immer gut“, begründet Hannes Wittenberg die Hilfsaktion, während er kurz nach 17 Uhr zusammen mit der Tafel-Vorsitzenden Marina Gräfin Stachwitz das Fest der Kartoffel eröffnet. Beide harken im Hinterhof des Museums den Boden, in dem Oberbürgermeister Jann Jakobs und Kulturbeigeordnete Gabriele Fischer im März zur Eröffnung der Ausstellung Kartoffeln gesät hatten. „Eigentlich ernten wir hier zu früh, aber im Jahr 1945 hat sich auch niemand darüber Gedanken macht – da ging es gegen den Hunger nur darum, dass die Kartoffeln halbwegs reif waren“, sagt Wittenberg. Er greift in die lose schwarze Erde vor ihm und holt einige neue Kartoffeln hervor. Ein älterer Herr nickt anerkennend: „Schöne, große Dinger.“ Im Hintergrund steht Hans-Werner Mihan. Der Stadthistoriker zum Leben in der Zeit von 1945 redet über seine Erfahrungen mit den Erdäpfeln : „Wir sind immer mit dem Zug aufs Land gefahren und haben mit den Bauern Kartoffeln in Säcken getauscht.“ Das Hauptproblem war die Rückfahrt. „Wir verabredeten uns mit der Familie an der Bahnlinie und warfen die Säcke aus dem Zug – weil uns die Nahrung an den Bahnhöfen von Soldaten sicher abgenommen worden wäre.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: