Das Hasso-Plattner-Institut über die digitale Arbeitswelt: Schöne neue Welt?
Das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut hat sich in die Debatte um die Digitalisierung der Arbeit eingeschaltet. Das Thema ist ambivalent: Einerseits ensteht mehr freie Zeit, andererseits ist die Zukunft der Jobs ungewiss.
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Potsdam - Die Empfangsdamen in dem Hotel in Japan sind perfekt geschminkt und immer freundlich. Nur eins sind sie nicht: lebendig. Das Henn-na Hotel in der Nähe von Nagasaki hat am Check-in-Schalter das Personal durch smarte Roboter ersetzt. Nur ein Beispiel dafür, wie Digitalisierung und Automatisierung immer stärker in die Arbeitswelt einziehen. Mittlerweile sind viele Arbeitsplätze dank Netbook und Smartphone auch nicht mehr an einen physischen Schreibtisch gebunden, die Arbeit verlagert sich zunehmend ins Virtuelle, in die Cloud – das Büro schnurrt auf Hosentaschenformat zusammen. Eigentlich eine begrüßenswerte Entwicklung, die Zeiten von Stechuhr und Büromief nähern sich ihrem Ende, die Freiheit gewinnt in Arbeitsverhältnissen eine ganz neue Bedeutung.
HPI-Chef Meinel: Digitalisierung und Automatisierung bringt vor allem Flexibilität und Kreativität
„Durch die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung stehen für viele Unternehmen vor allem Flexibilität und Kreativität der Mitarbeiter im Vordergrund“, so der Direktor des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts (HPI), Christoph Meinel. Für Meinel ist eine neue Arbeitskultur in den Unternehmen noch wichtiger für deren wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit als technologische Neuerungen. Am HPI fand in der vergangenen Woche das „i4j Summit Germany – Innovation for Jobs“-Treffen statt. Zwei Tage lang wurden Chancen und Risiken der digitalisierten Arbeitswelt diskutiert.
Dass die vierte Industrielle Revolution unser Leben grundlegend verändern wird, steht außer Frage. Ob die Innovationen und Möglichkeiten allerdings Fluch oder Segen sind, lässt sich heute schwer sagen. Damit die Gesellschaft von der Entwicklung nicht überrollt wird, hat sich das Potsdamer HPI – als einer der Ideengeber der technischen Seite – nun in den Diskussionsprozess mit eingeschaltet.
Eine Verständnis für die neuen Möglichkeiten müsse geschaffen werden
So einfach und smart wie die schöne neue Welt von digitaler Arbeit, Roboterjobs und dauerhafter Erreichbarkeit auf den ersten Blick wirken mag, ist sie dann aber doch nicht. Angst brauche man vor der Entwicklung zwar keine zu haben, meint HPI-Chef Meinel. „Angst ist immer der schlechteste Berater.“ Aber aufgrund der rapiden Veränderungen in der Arbeitswelt müssten nun alle Beteiligten daran arbeiten, dass eben keine Angst um sich greife. „Vielmehr brauchen wir Verständnis für die neuen Möglichkeiten, die entstehen“, sagt Meinel im PNN-Gespräch. Zwar würden dabei auch einige liebgewordene Gewohnheiten auf der Strecke bleiben. „Aber es entstehen neue Chancen“, so Meinel.
Der Anspruch an die Arbeit werde steigen, denn triviale Dinge könnten uns in Zukunft die Maschinen abnehmen. „Eigentlich ist das etwas Positives, die Menschen wollten ja immer schon von stupiden Arbeiten befreit sein und kreativen, sinnerfüllten Tätigkeiten nachgehen“, so Meinel. Allerdings müsste bereits der Schulunterricht darauf vorbereiten – und lebenslanges Lernen etwas Selbstverständliches werden.
Wie gehen nun aber die Arbeitgeber mit der durch Digitalisierung gewonnenen freien Zeit um – und wie flexibel kann und will der Menschen überhaupt sein? „Die Gesellschaft muss lernen mit der Transformation umzugehen, es muss ein Standard über alle Bevölkerungsschichten hinweg festgelegt werden, wie Arbeit zu organisieren ist“, lautet Meinels Antwort darauf. „Wir werden lernen müssen, an welchen Stellen flexibilisiert werden kann und an welchen Stellen gekämpft werden muss.“ Die Flexibilität aber, da ist sich Meinel sicher, komme grundsätzlich dem Menschen entgegen. Als Jobkiller sieht er die Entwicklung daher auch nicht. „Vielmehr haben wir es mit einem Jobveränderer zu tun“, sagt Meinel. Die Menschen und das Bildungssystem würden vor neue Herausforderungen gestellt. „Ich sehen vor allem die Chancen – aber es gibt keinen Automatismus, dass alles gut wird.“ Daran müsse die Gesellschaft nun arbeiten.
Neue Erwerbermodelle einer zukünftigen Arbeitswelt lassen sich mit Design Thinking skizzieren
Die HPI-Kreativmethode Design Thinking, die in Potsdam gelehrt wird, sieht Meinel als eine Möglichkeit, den Prozess voran zu bringen. Die Methode hilft dabei, Ideen zu entwickeln, die vom Menschen als Nutzer eines Produktes oder Services ausgehen. „Der Prozess ist sehr stark an den menschlichen Bedürfnissen ausgerichtet – und das ist auch bei der Gestaltung der Zukunft der Arbeit wichtig.“ Neue Erwerbermodelle einer zukünftigen Arbeitswelt würden sich mit Design Thinking skizzieren lassen. „Das Innovationskonzept hat sich in den letzten Jahren auch in vielen tradierten Großkonzernen als echter Treiber des Unternehmenswandels bewiesen“, ergänzt der HPI-Direktor. Lebenslanges Lernen, die eigenen Kenntnisse stetig weiterzuentwickeln und offen für neue Entwicklungen zu sein, auch dabei ist das HPI aktiv, das Institut bietet seine Lehrinhalte bereits seit 2012 in kostenlosen Online-Kursen auf der interaktiven Bildungsplattform openHPI an.
Fluch oder Segen?
Dass die Entwicklung von Arbeitgebern auch zur Einsparung von Stellen genutzt werden könnte, ist die andere Seite der Medaille. Wie frei, flexibel und gut bezahlt die sogenannten Crowd-Worker dann sein werden, muss letztlich die Gesellschaft festlegen. Staatssekretärin Yasmin Fahimi aus dem Bundesarbeitsministerium setzte dann hinter die Aspekte Arbeitszeit, Arbeitsort und Entlohnung in der digitalen Arbeitswelt ein großes Fragezeichen. Ob in Zukunft überhaupt noch Tariflohn gezahlt werde, hänge auch von politischen Weichenstellungen ab. „Dazu brauchen wir neue wirtschaftspolitische Ideen“, so Fahimi. Die Chancen der Transformation müssten zur Chance und Freiheit des Einzelnen werden. Daher müsse nun das neue Verhältnis definiert werden. Lebenslanges Lernen allerdings sei schwieriger zu vermitteln als gedacht, da viele Menschen nach wie vor mit Schule und Lernen etwas Negatives verbinden.
Steven Hill, Politischer Autor und gegenwärtig Holtzbrinck-Fellow der American Academy Berlin, wirft einen äußerst kritischen Blick auf die Entwicklung. Wenn es in Zukunft immer weniger Fulltime-Jobs geben sollte, würde das den Erwartungen vieler Menschen zuwiderlaufen. Als kritisches Beispiel führte er die digitale Zimmervermittlung über das Internet an, hier würden keine Steuern gezahlt und die Anbieter würden sich nicht an lokale Regularien halten. Die Frage sei nun, wie mit den neuen Technologien umzugehen sei. „Wir müssen sehr vorsichtig sein“, so Hill. Ob man aber nicht am Ende eine Technologie verteufle, die eventuell mehr neue Jobs bringen wird, kann auch Steven Hill nicht beantworten. Beim Bundeswirtschaftsministerium meint man da schon weiter zu sein: Nicht die Digitalisierung, sondern der Verzicht auf Innovation werde zum Arbeitsverlust führen.
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