Landeshauptstadt: Schulchaos und Küchenschreck
Eine Potsdamerin und eine Französin teilen ein Jahr lang ihr Alltagsleben
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Eine Potsdamerin und eine Französin teilen ein Jahr lang ihr Alltagsleben Constance Ledru-Tinseau und Vanessa Skoruppa verstehen sich ohne Worte. „Aber niemand versteht, warum wir uns verstehen“, sagt Vanessa. Die beiden 16-jährigen Austauschschülerinnen sind angeblich so unterschiedlich „wie Tag und Nacht“: Constance, die Französin aus der kleinen Stadt Eragny bei Paris und Vanessa, die Potsdamerin, haben sich ein halbes Jahr lang den Alltag geteilt – den von Vanessa. Sie sind zusammen in die zehnte Klasse des Helmholtz-Gymnasiums gegangen, haben zusammen gefeiert, gegessen und gewohnt. Während Vanessa eher die Nachdenklichere sei, platze die spontane Constance einfach mit dem heraus, was sie denkt. Die Freundinnen sitzen im Café am Nauener Tor und erzählen von der gemeinsamen Zeit in Potsdam. Hier seien die Menschen sehr offen, findet die Französin, aber „viel ichbezogener“. Constance spricht mit französischem Akzent. Einmal hätten die Freundinnen „Stullen“ für einen Ausflug geschmiert. „Dann hat Vanessa ihre eingepackt und meine liegen gelassen. Und zu mir gesagt: Du musst noch deine Stullen einpacken.“ So etwas habe sie in Frankreich noch nicht erlebt, da würden sich die Menschen mehr für einander verantwortlich fühlen – zumal Constance eine richtig große Familie hat. Sie sind sieben zu Hause bei Ledru-Tinseaus. Wenn dann im September Austauschschülerin Vanessa für ein halbes Jahr dazu kommt, müsse sie noch lernen, „mehr für die Gemeinschaft zu denken“. Natürlich habe auch Constance etwas von der Deutschen gelernt: „Ich habe sie mit meinen Fragen genervt“, lacht Vanessa. Constance verdreht die Augen: „Warum, warum, warum?“ Dadurch würde sie nun erst einmal überlegen, bevor sie redet. Und was hat sie aus dem Unterricht am Potsdamer Gymnasium mit genommen? „Oh, hier ist Chaos! Jeder kann einfach gehen in der Stunde“, wundert sie sich. „Auf Toilette!“, wirft Vanessa ein. Trotzdem – in Frankreich würden sich die Schüler so etwas nicht erlauben. Auch hätte man in Eragny mehr Respekt vor den Lehrern „Das sind doch Erwachsene.“ Hier sei alles gleichberechtigter. Das hätte aber auch ein Vorteil: Schüler und Lehrer kämen so tatsächlich ins Gespräch. Gut fände sie, dass die Deutschen die Nachmittage frei hätten: „Da kann man noch etwas unternehmen.“ In Frankreich würde der Unterricht jeden Tag bis um 17 Uhr dauern - „und danach noch Hausaufgaben!“ Anders als dort würden die Potsdamer auch viel mehr während der Schule essen. „Sie essen ständig.“ Komisch wären hier auch die Abendmahlzeiten: „Es gibt nur ein großes Gericht“, in Frankreich dagegen mindestens drei Gänge. Geschmeckt habe der Französin das Essen trotzdem. Einmal habe sie für Vanessa versucht, ein Gericht aus der Heimat zu kochen. Das habe „Spaß gemacht, aber schlecht geschmeckt“. Vanessa nickt: „Constance, der Küchenschreck.“ J. Wedemeyer
J. Wedemeyer
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