
© M. Thomas
Landeshauptstadt: Schuld des Menschen
Offizielles Gedenken von Protest begleitet
Stand:
Innenstadt / Teltower Vorstadt – Offizielle Gedenken und nichtoffizielle Proteste bestimmten den Volkstrauertag am Samstag in Potsdam. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) mahnte in der Trauerhalle des Neuen Friedhofs an, Formen des Gedenkens zu entwickeln, die den kommenden Generationen einen Begriff von den Katastrophen der Vergangenheit geben. Alexander Micovcin, Ständiger Vertreter des Botschafters der Slowakischen Republik in Deutschland, sprach von „60 Millionen Opfern einer menschenverachtenden Ideologie“ und fragte, warum Menschen ausgegrenzt und sogar zu „Untermenschen“ erklärt wurden. „Eine besondere Ehre und Dank gehören heute den Soldaten und Armeen, die zur Niederschlagung des Naziregimes beigetragen haben“, sagte er. Doch sei in Deutschland seit dem Ende des Krieges „viel Positives passiert“.
Vor der Trauerhalle gab es vereinzelte Proteste gegen die rot-rote Koalition im Land Brandenburg. „Die Opfer mahnen: Kein Rot-Rot“ lautete die Inschrift auf einem Poster, das Robert Bachmann aus Potsdam auf den Stufen der Trauerhalle hoch hielt. Ein kleines Kind neben ihm zeigte ein Pappschild, auf dem stand: „Verräter Platzeck“. Der sichtlich erregte Bachmann sagte, er protestiere als Privatmann dagegen, dass der Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft zu wenig gedacht werde. Er selbst sei kein Opfer oder Betroffener, erklärte er.
Die offiziellen Feierlichkeiten, organisiert vom Kreisverband des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, begannen am sowjetischen Friedhof auf dem Bassinplatz. Dort waren um die 50 Menschen anwesend, fast ausschließlich offizielle Vertreter des Volksbundes, des Landes und der Stadt Potsdam, der Jüdischen Gemeinde, von Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung und der Bundeswehr. Eine Gruppe von zwanzig jungen Menschen gehörte zu einer „Jugendbegegnung“ des Volksbundes. Die mit einer blauen Blume, der Bluet de France, geschmückten Frauen und Männer stammten aus Weißrussland, Frankreich, Polen und Deutschland.
Oberbürgermeister Jann Jakobs gedachte besonders der großen Zahl der Opfer durch Krieg und Gewaltherrschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Zwanzig Millionen Tote hätten die „Stellvertreterkriege“ gefordert. Jakobs erinnerte an den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien, wie er grausamer nicht vorstellbar sei, und erwähnte die Atombombenabwürfe am 6. und 9. August 1945. Dafür gebe es keine Rechtfertigung, „damals nicht, heute nicht und in der Zukunft.“
Beim Totengedenken erinnerte Pfarrer i.R. Wolfgang Hering daran, dass es sich bei den Katastrophen, der beim Volkstrauertag gedacht werde, nicht um unabwendbare Ereignisse handele: „Kriege, Gewalt und Terror sind keine Erdbeben, sondern Schuld des Menschen“. Günter Schenke
Günter SchenkeD
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: