Landeshauptstadt: Schuldentilgung durch Wohnungsverkauf
Mietrecht und Sozialcharta schützen Mieter in Dresden weiterhin / Für eine vorurteilsfreie Diskussion
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Das einzig Gute an den Plänen der städtischen Wohnungsgesellschaft Gewoba, 800 ihrer Plattenwohnungen in Potsdam zu verkaufen, ist der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung. Da eilig helfende Kommunalpolitiker wie SPD-Fraktionschef Mike Schubert die Absicht loben, mit dem Erlös aus dem Verkauf von Wohnungen im unteren Mietbereich hochwertigen Wohnraum zum Preise von acht Euro pro Quadratmeter zu errichten, wird die Widersprüchlichkeit einer unsinnigen und kostspieligen Politik deutlich. Denn wenige Tage zuvor gab es einen Aufschrei der Empörung insbesondere bei SPD und PDS, als die Potsdamer FDP die Stadt aufforderte, dem Beispiel Dresdens zu folgen, das durch den Verkauf des städtischen Wohnungsbestandes an einen privaten Investor sich von seiner drückenden Schuldenlast befreit hat. Dabei ist auch Potsdam hoch verschuldet, wobei ein erheblicher Teil dieser Schulden auf städtische Beteiligungen wie der Gewoba entfällt.
Warum also lehnt man einen Wohnungsverkauf zur Verringerung von Schulden und damit zur Entlastung der Bürger und Steuerzahler ab, will ihn aber akzeptieren, wenn die Gewoba sich ausgerechnet von besonders einfachen und sanierungsbedürftigen Wohnungen trennen will, um Wohnungen im oberen Preissegment zu errichten? Die Antwort ist, dass es in Wirklichkeit nicht um Mieterfürsorge oder Hilfe für sozial Schwache geht, sondern dass Wohnungen als Instrument politischer, persönlicher und wirtschaftlicher Verknüpfungen auf kommunaler Ebene zugunsten von Nutznießern und zu Lasten der Allgemeinheit benutzt werden. Die dies belegenden Argumente sind bekannt.
Das Errichten und Vermieten von Wohnungen ist kein Teil der staatlichen Daseinsvorsorge, wie zum Beispiel auch der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) richtig erkannt hat. Erst recht ist es nicht staatliche Aufgabe, Wohnungen im gehobenen bis hohen Preissegment zu bauen. Wohnungen sind in Deutschland ausreichend vorhanden und werden in den neuen Bundesländern sogar wegen hohen Leerstandes abgebaut. Wo noch Bedarf besteht, wie etwa in Potsdam bei günstigen kleineren Wohnungen im unteren bis mittleren Preissegment, können sie besser durch private Investoren errichtet werden. Dadurch wird auch den sozial schwachen Mietern Wohnraum verschafft, die entsprechende Beihilfen wie Wohngeld erhalten. Diese persönliche Unterstützung ist kostengünstiger als eine überholte Objektförderung von Wohnungen, die nur ein Beschäftigungsprogramm für defizitäre Wohnungsbaugesellschaften und ihre Geschäftsführer darstellt.
So wie sich kein vernünftiger Grund für den Bau neuer Wohnungen mit städtischen Geld findet, ist auch die Argumentation, die Stadt dürfe aus sozialen Gründen keine Wohnungen beziehungsweise ihre Wohnungsgesellschaft verkaufen, unbegründet. Wenn sich die Gewoba und ihre Beschützer in der Potsdamer Stadtpolitik vorurteilsfrei mit dem Dresdner Wohnungsverkauf beschäftigt hätten, würden sie erkennen, dass dieser Verkauf nicht unsozial war. So haben es ja auch die 17 Stadtverordneten der PDS gesehen, die in Dresden zugestimmt haben.
Die Mieter sind nämlich auch nach dem Verkauf nicht nur durch das durchaus mieterfreundliche deutsche Mietrecht geschützt. Vielmehr ist bei dem Verkauf in Dresden eine Sozialcharta vereinbart worden, deren Einhaltung durch Vertragsstrafen gesichert ist.
Diese Charta beinhaltet zusätzliche Mieterschutzregelungen, nämlich Beschränkungen für Mieterhöhungen, Sicherungen des Wohnrechtes für ältere und schwerbehinderte Mieter sowie den Ausschluss von Luxusmodernisierungen. Zusätzlich gibt es ein langfristig angelegtes städtisches Belegungsrecht sowie eine Verpflichtung des Erwerbers, bei grundhafter Sanierung einen bedarfsorientierten Anteil als alters- und behindertengerechten Wohnraum vorzuhalten.
Diese Sozialcharta, die ausdrücklich Teil des Beschlusses im Dresdner Stadtrat war und von jedermann im Internet abgerufen werden kann, ist bei den Potsdamer Abwehrreflexen von SPD- und PDS-Seite offenbar unbeachtet geblieben. Es wird höchste Zeit für eine vorurteilsfreie Diskussion.
Der Autor ist seit April 2003 Landesvorsitzender der FDP Brandenburg und Mitglied des Deutschen Bundestages. Er kandidierte im Potsdamer Wahlkreis 61.
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