
© Fabian Matzerath/ddp
Nahverkehr zwischen Potsdam und Mittelmark: Schulterschluss gegen den Verkehrskollaps
Potsdam und der Landkreis Mittelmark wollen gemeinsam um Fördermittel werben. Verbessern soll sich vor allem der Nahverkehr.
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Potsdam und die Umlandgemeinden wollen den Kraftfahrzeugverkehr massiv eindämmen. Gemeinsam will man daran arbeiten, dass die Berufspendler vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr und das Fahrrad umsteigen – indem man die Alternativen interessanter macht. Eine interkommunale Arbeitsgruppe hat in den vergangenen Monaten eine Liste mit 50 Einzelmaßnahmen erarbeitet, die man in den kommenden Jahren gemeinsam angehen will, fast die Hälfte mit hoher Priorität. Am gestrigen Montag wurde das Papier im Potsdamer Rathaus vorgestellt.
So sollen P+R-Parkplätze und Fahrradstellplätze an Umsteigepunkten wie dem Bahnhof Pirschheide, dem Bahnhof Sanssouci oder dem Bahnhhof Michendorf ausgebaut werden. Außerdem steht der S-Bahn-Ringschluss zwischen Teltow, Stahnsdorf und Wannsee auf der nicht ausfinanzierten Wunschliste. Der gefragte Regionalexpress 1 zwischen Werder (Havel), Potsdam und Berlin soll zusätzliche Wagen oder Verstärkerzüge bekommen. Der Saarmunder Bahnhof soll zum Umsteigepunkt mit dem Ziel Flughafen BER Schönefeld ausgebaut werden.
Die Radverbindung zwischen Potsdam und Nuthetal soll verbessert werden, eine Radschnellroute nach Werder parallel zur Magdeburger Bahn und nach Stahnsdorf entlang der alten Potsdamer Landstraße gebaut werden. Für all diese Projekte will die Landeshauptstadt mit den Umlandgemeinden und dem Landkreis Potsdam-Mittelmark beim Land gemeinsam um Fördermittel aus dem EU-Regionalfonds werben.
Ausgangspunkt der neuen Kooperation war der Streit um die Pförtnerampeln. Im März hatten sich die Verwaltungsspitzen der Region darauf geeinigt, die regionalen Verkehrsprobleme im Dialog zu lösen. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sprach gestern von 200 000 Fahrzeugen, die täglich in Potsdam ein- oder auspendeln. Damit mache der Pendlerverkehr 56 Prozent des Verkehrsgeschehens in der von Abgasen strapazierten Landeshauptstadt aus. Hauptquellorte für Einpendler sind Jakobs zufolge nach Berlin die Städte Werder (Havel) und Brandenburg sowie die Gemeinden Michendorf und Nuthetal. Die Auspendler fahren vor allem nach Berlin, Teltow, Stahnsdorf, Werder und Kleinmachnow.
„Die Sicherung der Mobilität in Potsdam und der gesamten Region ist eine zentrale Aufgabe, die wir nur gemeinsam bewältigen können“, sagte Jakobs. Die Diskussion über Einzelmaßnahmen werde schneller zu spürbaren Ergebnissen führen als ein gemeinsames Verkehrskonzept für die Region. Schon Ende nächsten Jahres soll eine Mobilitätsagentur die Arbeit aufnehmen. Jakobs und der mittelmärkische Vizelandrat Christian Stein (CDU) unterzeichneten gestern eine entsprechende Absichtserklärung. Die Agentur soll Arbeitgeber und Neubürger über Alternativen zum Auto aufklären und Angebote bündeln, um den Umstieg zum Nahverkehr, aufs Fahrrad oder zu Carsharing-Angeboten zu erleichtern. Die verschiedenen Verkehrsträger sollen dann mit einer gemeinsamen „Mobilcard“ abgerechnet werden. Die Vorbereitungen für die Agentur laufen, auch ein internetbasiertes Informationssystem und eine App für Smartphones sind in diesem Zusammenhang geplant. Die Agentur ist damit ein Kernprojekt der Maßnahmeliste.
Werders Bürgermeister Werner Große (CDU) sprach von einem „klaren Fahrplan, wo wir hinwollen“. Der Michendorfer Bürgermeister Reinhard Mirbach (CDU) begrüßte die Potsdamer Einsicht, dass auch Einzelmaßnahmen im Umland Einfluss auf Potsdams Verkehrsströme haben können. Stein glaubt, dass man mit dem gemeinsamen Einsatz für Strukturmaßnahmen bessere Erfolge erzielen kann, als wenn jede Kommune für sich kämpft. Der Stahnsdorfer Bürgermeister Bernd Albers (BfB) sprach von einer hohen Bereitschaft der Berusfpendler, auf den Nahverkehr umzusteigen. Dass sei nicht zuletzt durch das gemeinsame regionale Buskonzept TKS spürbar geworden, das zu deutlich mehr Fahrgastzahlen im Busverkehr geführt habe. Der S-BahnRingschluss sei „ein probates Mittel, den ÖPNV attraktiver zu organisieren“.
Der zuletzt häufig diskutierten Regiobahn zwischen Geltow und Potsdam wird im Maßnahmenkatalog nur noch eine geringere Priorität eingeräumt. Fachleute fürchten, dass die Fahrgastzahlen dafür nicht reichen könnten. Mittlere Priorität hat dagegen eine Busspur Potsdam-Geltow, um die Auswirkungen der Pförtnerampel auf den Busverkehr zu minimieren. Auch eine zusätzliche Buslinie von Geltow nach Potsdam-Nord über den Werderschen Damm ist deshalb im Gespräch.
VERKEHRSMASSNAHMEN
47 Punkte umfasst die Liste, die eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Stadt und des Landkreises gemeinsam erarbeitet hat. Fast die Hälfte davon betrifft den öffentlichen Nahverkehr. Hohe Priorität genießen etwa der Ausbau der Park-and-Ride-Parkplätze in Potsdam und den Umlandgemeinden, in Michendorf sollen etwa am Bahnhof weitere 36 Parkplätze entstehen. Für Potsdam wird explizit der Bahnhof Park Sanssouci genannt, der wegen des nahen Unistandortes wichtig ist. Schnellbuslinien zwischen Werder und Potsdam, wie aktuell von der SPD vorgeschlagen, stehen ebenfalls weit oben auf dem Zettel. Die Landeshauptstadt will prüfen, ob bestimmte Buslinien im Berufsverkehr über den zentralen Endpunkt am Hauptbahnhof verlängert werden können. Beim Radverkehr soll in Potsdam unter anderem die Wegeführung in der Heinrich-Mann-Allee verbessert werden. Stadteinwärts etwa soll ein durchgängiger Radstreifen auf der Fahrbahn markiert werden. Auch die Radschnellroute zwischen Werder und Potsdam parallel zur Magdeburger Bahn genießt hohe Priorität. Zwischen Potsdam und Teltow soll perspektivisch ebenfalls eine Radschnellroute entstehen, als ersten Abschnitt will man die Verbindung zwischen Babelsberg und Stahnsdorf verbessern – durch einen Ausbau des Waldwegs durch die Parforceheide. In Potsdam sollen zudem weitere Parkplätze gebührenpflichtig werden. (PNN)
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