Potsdamer Schulen sind nicht barrierefrei: Schulwechsel mit hohen Hürden
Ein Schicksal zeigt: In Potsdam gibt es kein barrierefreies Gymnasium. Erst 2014 soll Manko behoben sein
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„Ob Gesamtschule oder Gymnasien - die Auswahl der weiterführenden Schulen in Potsdam ist groß.“ Auf ihren Internetseiten wirbt Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam stolz mit ihrer reichhaltigen Bildungslandschaft. 23 weiterführende Schulen werden da genannt, darunter sieben Gymnasien. Für Djamal Okoko ist es dennoch schwierig, in Potsdam den Übergang ans Gymnasium zu schaffen.
Der Elfjährige leidet an einer spinalen Muskelatrophie, sitzt im Rollstuhl und macht derzeit die Erfahrung, dass kein Gymnasium in der Havelstadt behindertengerecht ausgestattet ist. Weder an staatlichen noch an freien Gymnasien in der Landeshauptstadt haben Schüler mit Behinderungen derzeit ein komplett barrierefreies Umfeld, das ihnen die Integration in den Schulalltag ermöglicht. Für Kinder wie Djamal schränkt das die freie Wahl einer Schule ungemein ein.
Bedauern, Verständnis, Kopfschütteln hat seine Mutter Katrin Lehnert an den Gymnasien erfahren, an denen sie sich bislang erkundigt hat. Auch auf Hermannswerder, wo Djamal am liebsten das evangelische Gymnasium der Hoffbauer-Stiftung besuchen würde, ist eine Aufnahme schwierig. Dabei lernt Djamal derzeit als Integrationskind in der evangelischen Grundschule der Hoffbauer-Stiftung, „so dass es doch logisch wäre, wenn das gute Konzept weiterverfolgt werden würde“, sagt Lehnert. Hoffbauer-Geschäftsführer Frank Hohn weiß um das Defizit im an sich weitreichenden Angebot der gemeinnützigen Stiftung. Doch das Gebäude-Ensemble auf der Potsdamer Halbinsel Hermannswerder behindertengerecht auszubauen, „ist wegen des Denkmalschutzes hochproblematisch“, sagt Hohn. „Und um es ganz ehrlich zu sagen: Es wäre auch ein enormes Kostenproblem.“ „Mir war nicht klar, dass es so schwierig ist“, sagt Lehnert.
Vom Ausmaß der mangelhaften behindertengerechten Ausstattung Potsdamer Gymnasien ist auch der städtische Behindertenbeauftragte Karsten Häschel überrascht. „Das ist nicht im Sinne einer inklusiven Bildung, die allen gleiche Bedingungen ermöglicht.“ Während kommunale Neubauten grundsätzlich auch nach behindertengerechten Standards errichtet würden, hätten bestehende Gebäude Bestandsschutz. Und gerade die historische Bausubstanz etlicher Potsdamer Gymnasien zeichne sich wenig durch Barrierefreiheit aus.
Das soll sich nun allerdings ändern: Bis 2014 sollen in Potsdam alle bestehenden Schulen und auch Kitas saniert sein. Nach einem Antrag der Linksfraktion im Stadtparlament sollte dabei mindestens eine Schule für jede Schulform barrierefrei gestaltet werden. Der Plan des Kommunalen Immobilien Service (KIS), der für die Schulsanierung zuständig ist, klingt noch ehrgeiziger: Ab 2011 sollen fünf städtische Gymnasien sukzessive bis 2014 so saniert sein, dass sie auch den Bedürfnissen behinderter Schüler entsprechen. Auch behinderte Eltern, denen es bislang oft nicht möglich ist, an Elternabenden in Schulen teilzunehmen, würden dann besser integriert, meint Häschel.
Für Djamal kommt das städtische Engagement zu spät. Er hat sich inzwischen mit dem Gedanken angefreundet, ab der 6. Klasse täglich nach Kleinmachnow zur Schule gebracht und abgeholt zu werden, was seinen Alltag mit Lernen, Physiotherapie, Trainingsstunden und Schwimmen nicht einfacher macht. In Kleinmachnow hat die Hoffbauer-Stiftung im vergangenen Schuljahr ein evangelisches Gymnasium eröffnet, wofür ein ehemals von der Siemens AG genutzter Gebäudekomplex saniert wurde. „Keine Schwellen, Fahrstühle, elektronische Tafeln, höhenverstellbare Tische mit Laptops“, schwärmt er – was ein wenig darüber hinwegtröstet, dass seine Freunde aus der Grundschule weiter in Potsdam zur Schule gehen werden.
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