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Homepage: Schutz vor den Augen des Neids

Tagung im Einstein Forum: der Böse Blick

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Auch viel umjubelte Schauspieler können einen schlechten Tag erwischen und sich auf der Bühne in Grund und Boden blamieren. Deswegen sagen sie häufig vor ihren Auftritten „Toi, toi, toi“. Dass solche Glücks-Rituale nicht nur dem Gelingen des eigenen Auftritts dienen, sondern auch vor Bösen Blicken schützen sollen, ist die These des Tübinger Ethnologie-Professors Thomas Hauschild. Seine Überlegungen stellte er Ende der vergangenen Woche während der internationalen Tagung zum Thema Neid im Einstein Forum vor.

Böse Blicke sind schon seit der Antike bekannt, als Neidblicke. Damals sprachen die Menschen dem Auge eine besondere Macht zu. Fabelfiguren wie die Medusa, deren Anblick versteinern konnte, zeugen von dem Glauben. Im Alltag verhielt es sich nicht anders. Ein neidisch-verärgerter Hingucker – noch nicht einmal in niederträchtiger Absicht – und schon konnten böse Mächte über ihre armen Opfer herfallen, so der Aberglaube. Nach Hauschilds Ansicht wirken solche Ideen in modernen Gesellschaften zum Teil sogar verstärkt weiter.

Gerade in der heutigen Mediengesellschaft, mit von Kameras stilisierten Idealmenschen, werde der Neid zunehmend zum „öffentlichen Schauspiel“ – und dadurch auch die unbewusste Angst vor Bösen Blicken größer. „Für mich sind die Nervenkrisen von Stars auch mit den ständigen Blicken erklärbar, denen sie ausgesetzt sind“, so Hauschild.

Der Schutz vor den Augen des Neids ist dabei von Kultur zu Kultur verschieden. In einigen Gegenden Italiens beobachtete der Professor während seiner Studien beispielsweise den Brauch, möglichst zerlumpte Kleidung zu tragen – um sich möglichem Lob über das Aussehen zu entziehen und damit Neid gar nicht erst aufkommen zu lassen. Andere Mittel gegen den Bösen Blick seien zum Beispiel vielfältige Arten von Amuletten. „Schmuck an Autorückspiegeln oder Glücksbringer am Körper gehen auf solche Schutzbedürfnisse zurück.“ Ebenso ist das bekannte „Klopfen auf Holz“ ein solches Abwehrritual. „Früher wollten die Menschen damit bei den Totengeistern um Hilfe bitten“, so Hauschild.

Freilich sind heute solche alten Bedeutungen in Vergessenheit geraten. Es gehe bei solchen unbewussten Handlungen aber immer noch um die Hoffnung auf Ordnung in den riskanten Momenten des Lebens, meint Prof. Hauschild. Dieser soziale Mechanismus habe sich seit 2000 Jahren nicht verändert. „Der Glaube um neidische Blicke und ihre Folgen pendelte schon immer zwischen Scherz und Ernst“, erklärt der Professor. Aus dieser Sicht lässt sich wohl auch die folgende, nicht immer als so ernst empfundene Redewendung erklären: „Wenn Blicke töten könnten“. Henri Kramer

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