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Die globale Erwärmung stagniert derzeit auf hohem Niveau, Klimaforscher erwarten ruckartigen Anstieg
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Knapp zwei Wochen vor dem UN-Weltklimagipfel in Kopenhagen sind die Klimaforscher in Erklärungsnot geraten. Ein Hacker-Angriff brachte kompromittierende E-Mails amerikanischer und britischer Klimaforscher in den Umlauf, die Andeutungen über Daten-Manipulationen enthalten (PNN berichteten). Darin würden auch Strategien gegen Klimaskeptiker diskutiert, die der These des vom Mensch gemachten Klimawandels widersprechen.
Tatsächlich versuchen Klimaforscher derzeit zu erklären, wieso es in den vergangenen Jahren mehr oder weniger zu einem Stillstand der globalen Erderwärmung gekommen ist. Stieg die Temperatur seit 1970 rund drei Jahrzehnte kontinuierlich an, so verzeichnet das britische Hadley-Zentrum von 1999 bis 2008 nur ein weltweite Erwärmung um 0,07 Grad Celsius – und nicht wie vom Weltklimarat IPCC prognostiziert um 0,2 Grad Celsius. Rechne man natürlichen Klimaereignisse wie El Niño heraus, so konstatieren die Experten sogar eine Stagnation bei der Erwärmung. Wohlgemerkt ein Stillstand auf hohem Niveau, wie die Forscher betonen, möglicherweise eine kurze Pause im Erwärmungstrend. Doch es passt in das Bild, dass jüngst von renommierten deutschen Geoforschern gezeichnet wurde, wonach der Klimawandel nicht so simpel zu prognostizieren ist, wie es viele Modelle bislang erscheinen lassen.
Die Klimaforscher gehen davon aus, dass unter anderem die verringerte Sonnenaktivität sowie Meeresströmungen Ursachen für die stagnierende Erwärmung sind. Und sie sind sich einig darüber, dass es langfristig mit den Temperaturen wahrscheinlich weiter nach oben gehen wird. Die Frage ist nur wann. Sollte die zyklische Solaraktivität der Grund sein, so dürften es schon in den kommenden Jahren wärmer werden. Die Temperatur könnte dann mit einem „regelrechten Ruck“ weiter ansteigen, befürchtet ein Hadley-Klimatologe. Auch Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) bestätigt, dass sich der Temperaturanstieg in der vergangenen Dekade global betrachtet verlangsamt hat. Auch er geht von einer Plateauphase aus, der ein weiterer Anstieg folgt. Allerdings sei in Deutschland oder auch in der Arktisregion die Temperatur in den vergangenen zehn Jahren weiter angestiegen. „Die Entwicklung ist regional sehr unterschiedlich.“
Die Potsdamer Klimaforscher sehen keinen Grund, ihre Prognosen bezüglich einer weiteren Erderwärmung zu revidieren. Im Gegenteil: „Die Hinweise aus der Wissenschaft häufen sich, dass sich die Menschheit bedenklich nahe an kritische Kipppunkte im Klimasystem heranbewegt, selbst bei einer Erderwärmung unter zwei Grad Celsius “, sagt Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdamer PIK. Selbst das von der Politik nun postulierte Zwei-Grad-Ziel sei unzureichend. „Zwei Grad sind ein fauler Kompromiss mit der Natur. Wir bekommen nur nichts besseres mehr hin“, erklärte Schellnhuber. Selbst bei einer Eingrenzung auf zwei Grad Erwärmung werde der Meeresspiegel wegen des Schmelzens der Polkappen um 30 bis 40 Meter steigen. „Wir gewinnen aber immerhin Zeit, um Städte wie London, Paris oder Bremen zurückzuverlagern“, so Schellnhuber.
Die Politik müsse sich nun ihrer Verantwortung stellen und das Risiko eines gefährlichen Klimawandels begrenzen. „Alles andere wäre eine politische Bankrotterklärung“, warnte Schellnhuber. Gestern veröffentlichten die Klimaforscher eine „Kopenhagen-Diagnose“. Der Spielraum für Emissionen von Treibhausgasen sei so gut wie ausgeschöpft, heißt es darin. Auch wird Bezug genommen auf die Beschleunigung des Klimawandels. „Der Meeresspiegel steigt rascher und das arktische Meereis schwindet deutlich schneller als erwartet. Leider zeigen uns diese Daten, dass wir die Klimakrise bislang unterschätzt haben,“ so Stefan Rahmstorf vom PIK. Die nach Kopenhagen reisenden Unterhändler der 192 Staaten müssten „die ganze Wahrheit über die globale Erwärmung und die damit verbundenen nie dagewesenen Risiken“ kennen, ergänzte Schellnhuber. Jan Kixmüller
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