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Sport: Schweigen im Dojo

Judo-Olympiasiegerin Yvonne Bönisch enttäuschte in Peking – zu Hause litten die Vereinsgefährten mit

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Um fünf Uhr in der Frühe kamen die Brötchen. Da hatten die Judoka des UJKC Potsdam die Müdigkeit schon überwunden, sich in ihrer Trainingsstätte, dem Dojo in der Pirschheide, mit Messern bewaffnet, um ein Frühstück zu zaubern. Ein angemessenes für jenen Tag, auf den der Verein jahrelang hingefiebert hatte. Yvonne Bönischs Olympiaauftritt als „public viewing“ – rund 30 ihrer Vereinsgefährten drückten ihr vor der Großbildleinwand auf den Matten des Trainingsraums die Daumen. Der Euphorie folgte jedoch schnell die Ernüchterung: Deutschlands erste und bislang einzige Olympiasiegerin schaffte nicht das erhoffte Gold, auch Silber und Bronze blieben ihr verwehrt – am Ende musste die Potsdamerin nach einem Sieg und zwei Niederlagen in der Hoffnungsrunde die Halle der Pekinger Universität für Wissenschaft und Technik geschlagen verlassen.

„Ich stand komplett neben mir“, ließ die 27-Jährige verlauten, die erneut in der Klasse bis 57 kg auf die Matte ging – einer Klasse, in der man sie nach eigenem Bekunden künftig nie mehr erleben wird. Sportdirektor Manfred Birod vermutet, dass Bönisch „dem psychischen Druck als Olympiasiegerin nicht gewachsen“ war.

Eine Meinung, die auch Robert Kopiske aus dem UJKC-Bundesligateam teilte. „Auf Yvonne lastete ein großer Druck“, so der 60-Kilo-Mann, der aufgrund seiner Gewichtsklasse in der Olympiavorbereitung stets ein idealer Trainingspartner für Bönisch war. „Sie hat sich in den vergangenen Jahren sehr verbessert. Aber Judo ist eben immer auch Kopf- und Glückssache. Und daran hat''s diesmal gehapert.“

Mit Bönisch litten auch Julia Basler und Lisa Elm. Die Nachwuchshoffnungen des UJKC kennen ihr Vorbild aus dem Training. „Ich weiß, wie hart Yvonne trainiert hat“, erklärte die 23-jährige Basler. „Und deshalb bin ich sehr traurig. Das geht einem selber nahe.“ Aufmunternde Worte fand hingegen ihre Vereinsgefährtin Lisa Elm: „Wir alle wissen, dass Yvonne die Beste ist.“

Bereits nach ihrer Auftaktniederlage gegen die Italienerin Giulia Quintavalle – die spätere Olympiasiegerin – war das UJKC-Aushängeschild schon so gut wie draußen. Weil Quintavalle jedoch überraschend bis ins Halbfinale marschiert war, zog Bönisch in die kaum noch für möglich gehaltene Hoffnungsrunde ein. Nach einem Sieg über die Mongolin Erdenet-Od Khishigbat keimte auch in Potsdam nochmal Hoffnung auf Bronze auf – die die Französin Barbara Harel aber zunichte machte.

Von all dem hatte ausgerechnet UJKC- Präsident Andreas Klemund den Anfang verpasst. Der Potsdamer, der seit Anfang Juni auch dem Olympiastützpunkt Potsdam vorsteht, flog am Sonntagnachmittag nach Peking, um die Kämpfe von Bönisch live zu verfolgen. Weil sein Flugzeug Verspätung hatte, verpasste der 37-Jährige aber das erste Duell. Bei den beiden folgenden Kämpfen saß er neben Bönischs Eltern Ilona und Rüdiger sowie ihrem Heimtrainer Axel Kirchner. „Das war heute offensichtlich nicht ihr Tag“, resümierte Klemund. „Schade auch für Yvonnes Eltern, die extra für den Wettbewerb nach Peking gekommen sind und gleich danach wieder nach Hause fliegen.“

Von den in Potsdam mitfiebernden UJKC-Judoka wurden indes die Fernseh-Übertragungszeiten kritisiert, da nur einer der drei Bönisch-Kämpfe live zu sehen war. So hatten die Fans und Vereinsmitglieder von der Auftaktpleite schon längst aus dem Internet erfahren, als das Duell gegen Giulia Quintavalle endlich ausgestrahlt wurde. Auch die Nachricht über Bönischs entscheidende Niederlage in der Trostrunde gegen die Französin Barbara Harel kam im Potsdamer Dojo am Havelufer lange vor dem Fernsehbild an.

Nach ihrer Niederlage will die Olympiasiegerin von Athen nun mindestens drei Monate pausieren. „Ich muss Abstand finden. Dann will ich nochmal angreifen. Mit 27 Jahren ist es noch nicht vorbei“, erzählte sie in Peking. Dann allerdings nur noch in der Gewichtsklasse bis 63 Kilogramm. Einer der zu erwartenden Vorteile: Das lästige und vom Hunger begleitete Gewichtmachen fällt dann weg.

Ein Problem, das Bönischs Vereinsgefährten gestern eigentlich weit weg geschoben hatten. Steaks und Würste standen bereit, und auch für Salat war gesorgt. Doch als der Grill aufgebaut werden sollte, war schon keiner mehr da. Der Appetit war der Enttäuschung gewichen. mit dpa

Henner Mallwitz

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