Landeshauptstadt: Schweißtropfen und Feuerfontänen
Der Potsdamer Filmemacher David Müller verdient sein Geld mit Live-Aufnahmen von Rock-Konzerten
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Es ist düster, es ist eng, es riecht nach Schweiß und Bier. Plötzlich blitzen Scheinwerfer auf, Gitarren-Riffs zerfetzen die Luft, und mit einem Mal werden tausende Festival-Zuschauer sichtbar, die zum Headbangen kaum noch Platz haben. Mittendrin steht David Müller mit seiner Kamera: Ein Schwenk übers Publikum, rauf auf den Sänger und rangezoomt. Aber Achtung: Jetzt geht das Solo los! Schnell Schwenk zum Gitarristen – gerade noch geschafft, bloß nichts verpassen!
Arbeitsalltag für den Kameramann und Filmemacher aus Potsdam. Der 26-Jährige mit dem Wikingerbart steht bei Konzerten an vorderster Front im Publikum oder direkt auf der Bühne, um krachende Live-Magie vom kleinsten Schweißtropfen bis zur Feuerfontäne auf Film zu bannen. Zusammen mit seiner Kamera-Kollegin Kaja Kargus ist er „First Strike Visuals“, eine Firma, die sich auf die Produktion von Rock-, Metal- und Punk-Live-Videos spezialisiert hat. Von einzelnen Festival-Auftritten bis zu Tour-DVD’s reichen die bisherigen Arbeiten des Duos, das schon Bands wie Motörhead, Toto oder Twisted Sister vor der Linse hatte und 2009 das Musik-Video „Too Late“ der Classic-Rocker Foreigner geschnitten hat.
Dass es einmal sein Beruf sein würde, Live- und Musikvideos von Rockbands zu produzieren, ahnte Müller noch nicht, als er mit 14 Jahren von seinen Eltern einen Camcorder geschenkt bekam. „Zuerst habe ich damit nur zum Spaß pubertäre Jugendsünden mit meinen Kumpels aufgenommen“, erinnert er sich. Nach einigen Anfangserfolgen, wie etwa einer Doku über die Theatergruppe seines Gymnasiums, legte er sein Hobby jedoch erst mal auf Eis, um Archäologie zu studieren. Müller merkte jedoch schnell, dass dies „nicht sein Ding“ war und kehrte zum Filmen zurück – diesmal mit der Absicht, auch beruflich hinter der Kamera zu stehen.
Bei einer „großen und sehr stressigen“ Tour mit der Metal-Band Avantasia lernte er 2009 Kaja Kargus kennen und bald stand der Entschluss fest, gemeinsam etwas zu machen. Im Frühjahr 2011 wurde „First Strike Visuals“ dann gegründet. Bis zu 15 Personen und elf Kameras groß waren die Film-Crews schon, die Müller bislang mitorganisiert hat.
Viele Musiker hat er dabei Backstage persönlich kennen gelernt, zum Beispiel Jason Bonham, Foreigner-Drummer und Sohn der Led-Zeppelin-Schlagzeuglegende John Bonham: „Netter Typ, sehr höflich“, meint Müller. Als Teil der Konzertcrew hat er mit so manchen Bands schon mal die Nacht durchgefeiert, etwa mit Nachtmystium aus den USA, für die er auch ein wenig Fremdenführer spielen musste. „Ich hab sie damals vom Flughafen abgeholt und ins Hotel gebracht. Wir waren in einer Stadt in Thüringen und ich musste ihnen genau erklären, warum die Stadt anders aussah als Städte in Westdeutschland, die sie schon kannten.“ Besonders viel Spaß haben ihm die Aufnahmen eines Cannibal-Corpse-Konzertes gemacht, da er ein absoluter Fan der Death-Metal-Band ist: „Ich kannte praktisch jeden Song auswendig, den sie spielten, und wusste daher genau, wann ein Solo oder ein Schlagzeug-Break kam.“ Dadurch wusste Müller, was und wen er wann filmen musste.
Immer das richtige Motiv einzufangen, ist nicht alles, was er bei Live-Aufnahmen beachten muss: „Man muss schon wissen, wie die Musik funktioniert. Wichtig ist auch, im Takt zu filmen, etwa bei Schwenks oder Zooms.“ Vor allem müsse man möglichst unsichtbar bleiben, nicht nur für Musiker und Publikum, sondern auch für andere Kameras.
Doch die Zeiten sind nicht einfach für Musikfilmer wie Müller und Kargus: „Man konnte das ja schon sehen, als bei MTV irgendwann gar keine Musikvideos mehr liefen, sondern nur noch irgendwelche Schwachsinns-Serien“, sagt er. „Die Budgets werden immer kleiner und knapper. Ich habe einmal die Erfahrung gemacht, dass ich als Kameramann für ein Musikvideo mitarbeiten sollte und der Regisseur sich erst auf dem Weg zum Drehort Gedanken um die Story des Videos gemacht hat – ich würde als Musiker nicht so arbeiten wollen.“ Kein Wunder: Schließlich hat Müller selbst bereits in zwei Bands Bass gespielt.
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