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Hebammen-Demo vor dem Rathaus. Im Bad Belziger Krankenhaus wurden immer weniger Kinder geboren. Gegen die Schließungspläne des Mehrheitsgesellschafters – dem Potsdamer Klinikum – mehrt sich politischer Widerstand.

©  Andreas Klaer

Demo für Geburtenstation in Bad Belzig: Schwere Geburt

Demo für Erhalt der Geburtsstation in Bad Belzig. Klinikum rechtfertigt Schließungspläne

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Potsdam - Hannelore Klabunde-Quast ist immer noch empört. Am Mittwochnachmittag demonstrierte die Bürgermeisterin von Bad Belzig vor dem Potsdamer Stadthaus – gegen die geplante Schließung der Geburtenstation des Krankenhauses ihrer Stadt. Das hat das städtische Klinikum „Ernst von Bergmann“ als Mehrheitsgesellschafter des Bad Belziger Krankenhauses wie berichtet Ende Januar bekannt gegeben. Klabunde-Quast erklärte unter anderem: „Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Oder: „Eine Schließung wäre den Müttern gegenüber nicht verantwortungsvoll.“ Ein Dutzend Demonstranten kamen am Mittwochnachmittag zu der kurzfristig angesetzten Aktion.

Im Stadthaus hatte sich bereits am Vormittag eine bemerkenswert große Koalition für den Erhalt der Geburtenstation gebildet. Ausgangspunkt war ein Antrag der linksalternativen Fraktion Die Andere – der kurzfristig umgearbeitet wurde, um möglichst viel Unterstützung zu erhalten. Nun setzen sich die Rathauskooperation um SPD, CDU/ANW, Grüne und Potsdamer Demokraten zusammen mit den oppositionellen Linken und Die Andere für die Station ein. Ausdrücklich bedankte sich Die-Andere-Geschäftsführer Lutz Boede für die konstruktive Zusammenarbeit bei der Willensbekundung – mit der erstmals seit Jahren wieder ein Plan des expandierenden Klinikums „Ernst von Bergmann“ gestoppt werden könnte.

Wörtlich sieht der Beschluss vor, dass die Stadt den Kreistag des Landkreises Potsdam-Mittelmark bei seinen Bemühungen unterstützt, die Geburtsstation in Bad Belzig zu erhalten. Dafür seien zwei Voraussetzungen zu erfüllen: ein nach Einschätzung des Gesundheitsministeriums „langfristig tragfähiges Konzept zum Erhalt der Absicherung der Station durch Fachärzte und Hebammen“ sowie „die finanzielle und versicherungsrechtliche Absicherung“ des Erhalts durch den Landkreis Potsdam-Mittelmark. Sind die Bedingungen erbracht, soll Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) als Gesellschaftervertreter das Potsdamer Klinikum beauftragen, den Versorgungsauftrag für die Geburtenstation in Bad Belzig wieder zu beantragen – und zwar schon für April.

Das Klinikum hatte die Schließung neben dem Mangel an Fachärzten und Hebammen mit den stetig sinkenden Geburtenzahlen in Bad Belzig begründet. 2014 seien dort weniger als 200 Babys entbunden worden. Unter diesen Rahmenbedingungen sei die Aufrechterhaltung der Station nicht zu verantworten, hieß es.

Gegen die geplante Schließung haben in Bad Belzig schon 500 Menschen demonstriert, eine Online-Petition wurde 1700-mal unterzeichnet. Vor das Potsdamer Rathaus war am Mittwoch auch Burkhard Kroll gekommen – er hat früher als Kinderarzt auf der Station gearbeitet, jetzt hat er eine eigene Praxis: „Ich bin überrascht von der Schließung – das ist nicht notwendig. Die Geburtsrate hätte nicht so schlecht werden müssen, aber es wurde einfach kein Personal gesucht.“

Klinikumssprecherin Damaris Hunsmann wies auf PNN-Anfrage den Vorwurf zurück, nicht entschieden genug nach neuem Personal gesucht zu haben. Es sei nicht gelungen, qualifizierte Fachärzte an die Geburtsklinik zu binden, weil sowohl die Menge als auch die Komplexität des Leistungsspektrums keine fachliche Herausforderung darstellen würden – ohne die Fachärzte im Rücken könnten die Hebammen nicht arbeiten. Damit würde gegen vom Gesetzgeber vorgegebene qualitative Anforderungen verstoßen.

Vor dem Potsdamer Rathaus demonstrierte auch Monica Kroll, die Frau des Kinderarztes. Sie hat in Bad Belzig zwei Kinder entbunden. Den PNN sagte sie: „Wenn es die Geburtenstation hier nicht mehr geben würde, dann würde Bad Belzig auch an Attraktivität verlieren – dabei ist die Region so lebenswert.“ Werdende Mütter müssten künftig in Potsdam, Brandenburg an der Havel und im sachsen-anhaltinischen Wittenberg entbinden. Das Potsdamer Klinikum hatte kostenfreie Appartements für die Unterbringung vor der Geburt auf dem hauseigenen Gelände in Aussicht gestellt – sowie einen Shuttleservice für Väter, Geschwister und Angehörige zwischen Belzig und Potsdam.

Mit dem Vorstoß der Potsdamer Stadtpolitik geraten die Pläne des Klinikums immer stärker ins Wanken. Sprecherin Hunsmann erklärte dazu, das Gesundheitsministerium müsse über die Zukunft der Geburtenstation und allgemein zur Krankenhausplanung entscheiden – mit diesem befinde man sich schon die ganze Zeit über in einem Abstimmungsprozess. Das von der Linken Diana Golze geführte Ministerium teilte mit, in der kommenden Woche werde eine weitere Abstimmungsrunde stattfinden, um doch noch einen Weg für den Erhalt der Geburtenstation zu finden. Sprecherin Marina Ringel sagte: „Sollte eine solche Lösung gefunden werden, stehen wir dem offen gegenüber.“ Nach PNN-Informationen gehört Ministerin Golzes Vorgänger und jetzige Bildungsminister Günter Baaske (SPD) zu den Gegnern der Schließungspläne.

Klinikumssprecherin Hunsmann sagte, sie könne die öffentlichen Proteste verstehen. „Das ist natürlich ein hochemotionales Thema – es war uns klar, dass diese Entscheidung auf Proteste stößt.“ Doch sei es auch kein Weg, in der Qualität falsche Kompromisse zu machen – und dafür öffentlichem Streit aus dem  Weg zu gehen.

Die Liste der Gegner ist lang. So rechnet Peter Ledwon, Chefarzt der Frauenklinik Brandenburg, „mit vermeidbaren Schäden oder sogar kindlichen und/oder mütterlichen Todesfällen“ in der Region, wenn die Geburtshilfe in Bad Belzig schließt. Und vor dem Potsdamer Rathaus sagt die frühere Potsdamer FDP-Bundestagskandidatin Jaqueline Krüger: „Jeder hat ein Anrecht darauf, sein Kind wohnortnah auf die Welt zu bringen.“ Im Zweifel müsse dafür auch die Stadt Potsdam mehr Geld ausgeben, so Krüger.

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