Widerstand vom 20. Juli 1944: Schwieriges Gedenken
Den Widerstand gegen Hitler verbinden viele nur mit dem 20. Juli. Zu Unrecht, wie eine Debatte im Filmmuseum zeigte
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Es war dieser eine Satz Astrid Gräfin von Hardenbergs, der ungewollt komisch wirkte, und gerade dadurch ein Problem der deutschen Erinnerungskultur offenbarte: „Ich meine, Kommunisten waren auch Menschen, irgendwo“, sagt Hardenberg, Tochter des Widerstandskämpfers Carl-Hans Graf von Hardenberg, ganz unaufgeregt vor laufender Kamera. Die Regisseurin Ilona Ziok hatte die in diesem Jahr verstorbene Gräfin für den 2009 fertiggestellten Streifen „Der Junker und der Kommunist“ interviewt. Der Junker, das ist in Zioks Film Carl-Hans Graf von Hardenberg und Fritz Perlitz ist der Kommunist. Die gemeinsame Haftzeit im KZ Sachsenhausen hatte Hardenberg und Perlitz miteinander verbunden.
Am Dienstag wurde im Filmmuseum Zioks Dokumentation über das Leben und Wirken von Perlitz und Hardenberg gezeigt. Zuvor diskutierte ein interessant besetztes Podium über die deutsche Art des Erinnerns an den Widerstand gegen Hitler. Warum die Veranstalter allerdings nicht zuerst den Film zeigten und anschließend diskutieren ließen, war nicht so recht zu verstehen – denn bisweilen verboten sich die Diskutanten selbst den Mund, um nicht den Inhalt des Films vorwegzunehmen.
Ein Fazit des Abends: Der Widerstand gegen Hitler war bunter, als heute gemeinhin angenommen wird. Unter den Verschwörern des 20. Juli 1944, jenem gescheiterten Attentat auf Hitler im Führerhauptquartier Wolfsschanze, waren keineswegs nur Militärs, berichtete die Autorin Elisabeth Ruge, Enkelin des Widerstandskämpfers Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, einem der Verschwörer des 20. Juli 1944. Auch Mitglieder des Kreisauer Kreises, Gewerkschafter und Sozialdemokraten seien an dem geplanten Staatsstreich beteiligt gewesen. Ruge erinnerte namentlich an Julius Leber, der in der Weimarer Republik sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter war und im Zuge der Attentatsvorbereitungen auf Hitler auch Kontakt zu Claus Schenk Graf von Stauffenberg hatte. Ob Christen, Gewerkschafter oder Kommunisten – aus vielen gesellschaftlichen Gruppen habe es Widerstand gegen Hitler gegeben. „Ich glaube, man sollte da jetzt nicht irgendwelche Einheitsfronten herbeifantasieren“, sagte Ruge auf der Veranstaltung, die das Pfarramt der Potsdamer Nagelkreuzkapelle in Kooperation mit Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg organisiert hatte. Allerdings, so Ruge, seien die Militärs im Grunde genommen die Einzigen gewesen, die 1944 noch in die direkte Nähe von Hitler kamen, da sich der Diktator zunehmend zurückgezogen hatte. Nur die Militärs hätten daher die Möglichkeit für ein solches Attentat gehabt.
Nach dem Krieg war die Erinnerung an den Widerstand gegen die Diktatur in beiden deutschen Staaten sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während in der DDR meist nur an den kommunistischen Widerstand erinnert wurde, wie Harald Wittstock vom Verein „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik“ erläuterte, war dies im Westen eher umgekehrt. „Der kommunistische Widerstand fand wenig Beachtung“, sagte Rautenberg. Selbst die Attentäter des 20. Juli hätten anfangs in der alten Bundesrepublik einen schweren Stand gehabt. „Es hat sehr lange gedauert, bis man den 20. Juli als Gedenktag akzeptiert hat.“
Auch Rautenberg erklärte, dass der Widerstand gegen Hitler – so gering er auch zahlenmäßig mit Blick auf die Gesamtbevölkerung war – aus mehreren gesellschaftlichen Richtungen heraus organisiert wurde. Zum einen habe es eine Reihe von Menschen gegeben, die, wie die Sozialdemokraten und viele Gewerkschafter, aus ideologischen Gründen gegen den NS-Staat eingestellt waren, zum anderen seien einige erst mit den Jahren auf Distanz zum Regime gegangen. Zu ihnen rechnet Rautenberg unter anderem August Winnig, der einst in Potsdam lebte und nach dem Krieg bei der Gründung der CDU mithalf. Rautenberg erinnerte zudem an den Widerstand durch Menschen, die Juden versteckt hielten und auf diese mutige Weise Zivilcourage zeigten.
Von gewissen Ressentiments gegen den kommunistischen Widerstand bis in die heutigen Tage hinein sprach Regisseurin Ziok. So habe zwar sogar die britische BBC Interesse an ihrem Film über Hardenberg und Perlitz gezeigt, die ARD hingegen habe die Dokumentation, die den adligen Hardenberg und den Kommunisten Perlitz auf Augenhöhe zeige, nicht in ihrem ersten Programm, sondern nur an weniger prominenter Stelle ausgestrahlt.
Dass die Distanz zu den Kommunisten womöglich deshalb bis heute anhält, weil im Namen dieser Ideologie im 20. Jahrhundert ebenfalls Diktaturen errichtet wurden, wurde in der von Pfarrerin Cornelia Radeke-Engst moderierten Runde leider nur kurz angerissen.
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