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Landeshauptstadt: Sechs aus dem Morgenland

Sechs muslimische Schüler aus dem Iran wollten in Potsdam deutsches Weihnachten kennen lernen

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Die sechs Teenager aus dem Iran frösteln. Da helfen auch die Swarten Pieten nicht, die mit Blasmusik und Trommelschlag im Holländischen Viertel aufmarschieren oder dass an einem Stand des Weihnachtsmarktes kräftig mit original niederländischen Holzpantinen geklappert wird. „Sind die praktisch“, fragt die 16-jährige Schülerin Bahar Beihaghi und will die bejahende Antwort nicht so richtig glauben.

Regionale Weih nachts bräuche und die religiöse Toleranz in Preußen sind einer der letzten Programmpunkte des dreiwöchigen Deutschlandaufenthaltes von drei Jungen und drei Mädchen aus Teheran. Sie sind Austauschschüler der Königin-Luise-Stiftung in Berlin. Potsdam als einstiges Herz Preußens war ausgewählt worden zum Toleranz-Thema. Schließlich beschäftigt sich die Stadt gerade wieder mit einer Neuauflage des Toleranzedikts. „Die Jugendlichen sind überaus neugierig und interessiert“, meint Manfred Grüter, Lehrer an der Königin- Luise-Stiftung und Leiter des Projektes „Jugend im Dialog – Austausch der Kulturen“. „Sie fragen immer wieder nach, wenn sie etwas nicht verstehen.“ Seit 2001 bemüht sich die Berliner Unesco-Projekt-Schule um den Schüleraustausch mit dem Iran und hat inzwischen eine ganze Reihe von Begegnungen organisiert.

„Wer einmal im Iran zu Gast war, bekommt ein ganz anderes Bild als das durch die Medien vermittelte“, meint Grüter und schwärmt von Gastfreundschaft, Offenheit und Freundlichkeit der Iraner. Zehnmal habe er das Land schon besucht. Natürlich müsse man die Sitten und Bräuche dort akzeptieren, aber das sei doch normal, findet er. Man habe auch Kontakte zur Kirche im Iran geknüpft, die keine Probleme hätte, ihr Gemeindeleben aktiv zu gestalten. Dass auch die deutschen Mädchen im Iran Kopftuch tragen, hält er für angemessen.

Am Samstag ist Kopftuch allerdings auch in Potsdam angemessen. Denn nicht nur Bahar kämpft mit der Kälte und hat sich zur traditionellen Kopfbedeckung noch einen dicken Schal um den Hals geschlungen, auch die anderen frösteln. Bahar bedauert, dass sie nicht mehr dicke Sachen in den Koffer gesteckt hat, ansonsten ist sie mit ihrem Deutschlandaufenthalt vollauf zufrieden. Temperaturen unter Null kennt man übrigens auch in Teheran. Das Praktikum in einem Göttinger Labor habe ihr Spaß gemacht, sagt sie. Und dass es eine gute Hilfe sein kann, falls sie Chemie studiert. Denn auch mit der Architektur liebäugelt das junge Mädchen noch. In Teheran gebe es Chancengleichheit für Jungen und Mädchen, erklärt sie und ihre Mitschükerin nickt zustimmend. Schwieriger sei es dann schon nach dem Studium, einen Job zu ergattern. Es gebe im Iran sehr viel „Gelehrte“, sagt Bahar und sucht im Englischen nach dem richtigen Wort für Hochschulabsolventen. Was ihr noch gefallen habe? „Die Ordnung und Höflichkeit“, sagt sie. „Und die Aufmerksamkeit im Straßenverkehr.“ In Teheran gehe es viel chaotischer zu. Ein Problem wird dann allerdings doch anbgesprochen. Es fehle fließendes Wasser auf den Toiletten. Zum Waschen. Im Iran läge dafür überall ein Wasserschlauch.

Über das Essen ist man sich etwas uneins. Während zwei deutsche Austauschschüler, die ihre Praktika im Iran gemacht haben, das iranische Essen eher einseitig fanden, nennt es Grüter abwechslungsreich und schmackhaft zubereitet. Die Praktika bei MAN aber haben Robert Schramm (18) und Nils Felfe (19) gut gefallen und Nils, der eine Wirtschaftsanalyse über den Iran durchgeackert hat, fand das hochinteressant. Die Ausflüge hätten sich auf Esengehen und Treffen im privaten Kreis beschränkt, erzählt er. Abends um die Häuser ziehen könne man in Teheran nicht. Im umgekehrten Fall war für Ramin Tabasian auch das Berliner Nachtleben tabu. Nein, in einer Disko war er nicht, obwohl er sich für Metal-Musik interessiert und sie später einmal zu seinem Beruf machen möchte.

Das nächste deutsch-iranische Projekt wird ein Märchenworkshop in Berlin sein. Ein märchenhaftes Treffen hat es bereits in Isfahan gegeben. H. Dittfeld

H. Dittfeld

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