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Landeshauptstadt: Sechs Mal kein Knobelsdorff?

Stadtschlösser-Debatte im Dorint: Von Boddien und Niekisch fordern klares Wort von Platzeck

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Es geht ein Gespenst um in Potsdam und Berlin – das Gespenst einer „Verwässerung“ und „Relativierung“ der politischen Beschlüsse zur Wiedererrichtung der Stadtschlösser beider Städte. Die Beschlüsse sahen eigentlich eine weitgehende Annäherung an die Originale vor. Nun aber liegt „die Gefahr architektonischer Experimente in der Luft“, konstatiert Michael Schöne vom Potsdamer Stadtschlossverein – und dies in Potsdam und in Berlin. Darum baten die Potsdamer Protagonisten einer original-getreuen Knobelsdorff-Fassade den Vorsitzenden des Fördervereins Berliner Schloss Wilhelm von Boddien am Donnerstag auf ein hochkarätig besetztes Podium im Dorint-Hotel, um über seine Erfahrungen im Kampf gegen die Modernisten zu berichten. Immerhin war von Boddien bislang erfolgreicher als die Potsdamer Schlossverfechter, wie der Moderator, der „Bild“-Journalist Michael Sauerbier, feststellte. In Berlin sollen drei historische Fassadenseiten rekonstruiert werden, in Potsdam dagegen nur eine, die zum Alten Markt.

Von Boddien bestätigte die Wiedererrichtung der drei Fassaden von Johann Eosander von Göthe, Andreas Schlüter und Martin Heinrich Böhme. Die vierte Seite zur Spree werde modern, womit er sich nicht unzufrieden zeigte. Wichtig sei ihm, dass es im Innern „keine irreversiblen Einbauten“ gibt, ein weiterer Ausbau in 30 oder 40 Jahren müsse möglich sein. Mit einem Baubeginn rechne er Anfang 2010. Anfang Dezember 2008 werde die Jury tagen, die aus den 900 Bewerbern zunächst 150 und dann 20 bis 30 Entwürfe auswählt. Ende 2008 soll der Wettbewerb entschieden sein. Interessant: Bereits im Februar 2008 werde der Sandstein-Steinbruch in Sachsen aufgesprengt, aus dem später das Fassaden-Material gewonnen wird.

Als es um die Potsdamer Situation ging, erinnerte sich von Boddien an eine Veranstaltung mit Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), auf der sich dieser als glühender Verfechter des Stadtschlosses gab. „Warum schweigt er jetzt? Wo stehen Sie heute?“ Von Boddien: „Gretchen, wie hältst du es mit der Religion?“ Potsdams CDU-Chef Wieland Niekisch entgegnete, Platzeck habe das Projekt mit angeschoben. Nun wünsche er sich jedoch ebenfalls vom Ministerpräsidenten und vom Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) „ein klares Wort“.

„Stimmt es, das kein einziger Knobelsdorff-Entwurf dabei ist“, wird Niekisch von Sauerbier gefragt: Dieser entgegnete, er habe die Entwürfe noch nicht gesehen. Er skizzierte den Potsdamer Zeitplan: Am 28. November sehe sich die Jury, in der er Mitglied ist, die sechs von den Konsortien eingereichten Entwürfe an. Dann folge eine „Dialogphase“ zwischen Jury und den Wettbewerbern. Im Februar 2008 werde der Siegerentwurf veröffentlicht. Weihnachten 2011 soll die historische Situation am Alten Markt zu 100 Prozent wieder entstanden sein. Sollte keiner der sechs Entwürfe genügen, müsste im Dialogverfahren nachgebessert werden. Niekisch: „Mein Ziel ist es, im Februar 2008 mit einem Ergebnis vor ihnen zu stehen, mit dem ich bestehen kann.“ Er sei „nicht so optimistisch wie Herr Niekisch“, entgegnete Michael Schöne: „Ich mache mir Sorgen.“

Lange drehte sich die Debatte darum, woher die Abneigung gegen die Stadtschlösser komme. Der Potsdamer Publizist Alexander Gauland diagnostizierte dies als tiefe Aversion gegen Preußen – sowohl in Ost wie in West. Selbst der Kölner Adenauer habe „die Gardinen zugezogen, wenn er über die Elbe fuhr“. Eine verbreitete Preußen-Assoziation: Preußens Geschichte sei belastet, denn sie habe zu Auschwitz geführt. Diese These sei erst jüngst durch das Buch von Christopher Clark „Preußen – Aufstieg und Niedergang 1600-1947“ widerlegt worden sei, so Gauland. Gert Streidt, Direktor des Museums der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, erklärte, er verstehe „die irrationale Angst vor Preußen nicht“. Und weiter: Preußen „ist nicht mehr da, es tut niemanden mehr weh“. Streidt kündigte eine Umstrukturierung der Ausstellung im Marstall an, künftig werde mehr Preußen gezeigt.

Gauland zufolge fehle der politischen Kaste in Potsdam eine echte Begeisterung für den Schlossbau. Die Haltung des Finanzministers Rainer Speer (SPD) sei: „Ich baue einen Landtag und, verdammt, weil da einmal ein Schloss stand, muss es ein bisschen so aussehen.“ Darum werde es weiter „einen Kleinkrieg um jedes Stückchen Fassade geben“, so Gauland, der deshalb empfiehlt, weiterhin Druck auf die Politik auszuüben. Eine architektonische Kompromisslösung könne es an diesen zentralen Plätzen in Berlin und Potsdam nicht geben.

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