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Aus dem GERICHTSSAAL: Sechs Monate geregelter Tagesablauf

Haft für vierfach unter Bewährung Stehenden

Stand:

„Ich brauche einen geregelten Tagesablauf“, schätzt Patrick P.* (26) ein. „Den können Sie kriegen“, pariert Amtsrichterin Waltraud Heep und verurteilt den unter vierfacher Bewährung stehenden Langfinger zu sechs Monaten Gefängnis. „Die Justiz macht sich lächerlich, wenn sie noch einmal Bewährung verhängt“, stellt sie klar. Patrick P. – vorbestraft wegen massenhafter Diebstähle, aber auch wegen falscher Verdächtigung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs, Urkundenfälschung und Serienbetrugs – beteuert zerknirscht: „Ich klaue auf jeden Fall nie wieder.“

Der Alkoholiker saß bereits von Februar 2006 bis Juni 2007 in Haft, ohne vom Freiheitsentzug wirklich beeindruckt zu sein. Danach war seine Wohnung futsch. Derzeit lebt er im Obdachlosenheim am Lerchensteig. Laut Anklage stahl Patrick P. am 26. Mai dieses Jahres bei „Karstadt“ Parfüm im Wert von 67,95 Euro. Am nächsten Tag zog der bereits vom Hochprozentigen Gezeichnete erneut los. Diesmal steckte er bei Rewe sieben Packungen Kaffee für 37,13 Euro in seinen Rucksack, ohne sie zu bezahlen. Pflichtverteidiger Hans-Jürgen Kernbach signalisierte dem Gericht vor Verhandlungsbeginn, sein Mandant sei geständig. So brauchten keine Zeugen geladen werden, was die Prozesskosten minimiert. „Ich wurde von zwei Typen angesprochen. Die haben gesagt, ich hätte noch 50 Euro bei ihnen offen“, erzählt Patrick P. „Es würde etwas passieren, wenn ich nicht bald zahlen würde. Und wenn ich Anzeige erstatte, ebenfalls.“ Aus Angst habe er sich zum Diebstahl entschlossen. „Ich sollte ihnen die Ware geben. Dann wäre die Sache erledigt gewesen“, so der Hartz-IV-Empfänger. „Und was ist jetzt“, kontert die Richterin. „Sie sind in beiden Fällen erwischt worden. Sind die zwei Typen aufgetaucht und haben Ihnen irgend etwas getan?“ Patrick P. schüttelt den Kopf.

Der Bewährungshelfer kann nicht viel Gutes über seinen Probanden berichten. „Zu Gesprächsterminen erschien der Alkohol- und Drogenabhängige nicht. Wenn ich bei Patrick im Lerchensteig war, musste er erst geweckt werden. Auch den Termin vor der Hauptverhandlung, bei dem wir alles noch einmal durchsprechen wollten, hat er nicht wahrgenommen“, kritisiert der Sozialarbeiter. „Er muss sein gewohntes Umfeld verlassen. Betreutes Wohnen wäre gut.“

Sollte das neueste Urteil rechtskräftig werden, dürfte die Ladung zum Strafantritt nicht lange auf sich warten lassen. „Es hat bei anderen geklappt. Möglicherweise funktioniert es bei dem Angeklagten auch, dass bereits aus der JVA heraus eine Suchttherapie eingeleitet wird und er gar nicht mehr in sein bisheriges Umfeld zurückkommt“, hofft die Vorsitzende. (*Name geändert.) Hoga

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